Sebastian Haffner: Germany: Jekyll & Hyde. 1939 – Deutschland von innen betrachtet (Sachbuch) |
Sebastian Haffner: Germany: Jekyll & Hyde. |
Inhaltsangabe und Buchbesprechung:Der 1938 aus dem Deutschen Reich nach London emigrierte Jurist und Journalist Raimund Pretzel veröffentlichte sein erstes Buch 1940 in englischer Übersetzung bei Secker and Warburg in London, und zwar unter dem Pseudonym "Sebastian Haffner", um seine in Berlin zurückgebliebene Familie nicht zu gefährden [mehr dazu].
Gegenstand der Diskussion sind Deutschland und die Deutschen. Sie ist seit längerem in der ganzen zivilisierten Welt im Gange und ist durch die Erklärung der britischen Regierung "Wir sind nicht mit dem deutschen Volk verfeindet, sondern nur mit Hitler" nicht nur nicht beendet worden, sondern hat noch an Heftigkeit zugenommen. In einer nüchternen und einfachen Sprache wurde gesagt, die Deutschen seien ein humanes, friedfertiges, zivilisiertes Volk, das von seinen gegenwärtigen Herrschern unterdrückt wird und dem kameradschaftlich die Hand gereicht werden kann, sobald es seine Freiheit wiedererlangt hat.
Gedanklich brillant setzt Sebastian Haffner sich
[...] Nicht der Antibolschewismus ist es oder der Dienst am Staat, nicht inbrünstige Hingabe für "die deutsche Rasse" oder die deutsche Sorge um den "Lebensraum", auch nicht eine fesselnde Theorie über die Organisation Europas, oder was er [Adolf Hitler] uns sonst noch als Leitstern seines Handels suggerieren möchte. [...] Das einzig beständige Element der Politik Hitlers ist, dass sie bei aller Unwägbarkeit immer auf seine Person zugeschnitten ist. Erbitterung, persönlicher Aufstieg und Befriedigung eines theatralischen Drangs danach, sein eigenes Ich in vielen banalen Rollen von zweifelhaftem Geschmack zu sehen, das sind die drei Ziele, denen Hitler gedankenlos Zivilisationen, Nationen und Menschenleben opfert. [...] Hitler ist kein Staatsmann, sondern ein Schwindler in der Maske eines Staatsmannes. (Seite 19f) Die führenden Nationalsozialisten hinter Hitler charakterisiert Sebastian Haffner als "furios tüchtige" (Seite 51) Barbaren.
Die Naziführer haben zu Deutschland genauso ein Verhältnis wie ein rücksichtsloser Rennpferdbesitzer zu seinem Pferd; er möchte das Rennen gewinnen, und sonst gar nichts. [...] Ob das Pferd seinen Wunsch nach Ruhm teilt und ein Rennpferd sein möchte, ob es zu Schaden kommt und danach sein Leben lang lahmt, sind Fragen, die ihn nicht interessieren. (Seite 55) Nachdem Sebastian Haffner sich mit Hitler und seinen führenden Gefolgsleuten auseinandergesetzt hat, beschäftigt er sich mit der Frage, warum so viele Deutsche sich von ihnen verführen ließen und warum die Oppositionellen stillhalten. Die Nazipropaganda zeichnet sich durch eine besondere Eigenschaft aus: Sie wird nicht geglaubt, aber sie wirkt. (Seite 106) Der Deutsche, so meint Sebastian Haffner, halte nicht sich, sondern die Politik für unmoralisch, für ein schmutziges Geschäft. Seine Führer begehen die Verbrechen, vor denen er zurückschreckt, die er aber insgeheim für notwendig und wünschenswert hält, und sie ersparen ihm sogar gnädig die Unannehmlichkeit, sich als Mittäter vorzukommen. Diese Leute vergöttert er [...] (Seite 117) Mit drei abschließenden Thesen blickt Sebastian Haffner über das Ende des zum Zeitpunkt des Schreibens gerade erst begonnenen Krieges hinaus:
(1) Der Frieden [...] muss ein echter Frieden sein, das heißt er muss der Beginn einer Zusammenarbeit und Freundschaft und nicht eine Strafe und Unterdrückungsmaßnahme sein. (Seite 276)
Nicht nur der außergewöhnliche Blickwinkel des Autors, sondern auch Sebastian Haffners besondere Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge und Entwicklungen anschaulich und verständlich darzustellen, hebt dieses Buch unter den zahlreichen Werken über den Nationalsozialismus heraus. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003 |
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