Stephen W. Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit Die Suche nach der Urkraft des Universums (Sachbuch) |
Stephen W. Hawking:
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Inhaltsangabe und BuchbesprechungEin namhafter Wissenschaftler (man sagt, es sei Bertrand Russell gewesen) hielt einmal einen öffentlichen Vortrag über Astronomie. Er schilderte, wie die Erde um die Sonne und die Sonne ihrerseits um den Mittelpunkt einer riesigen Ansammlung von Sternen kreist, die wir unsere Galaxis nennen. Als der Vortrag beendet war, stand hinten im Saal eine kleine alte Dame auf und erklärte: "Was Sie uns da erzählt haben, stimmt alles nicht. In Wirklichkeit ist die Welt eine flache Scheibe, die von einer Riesenschildkröte auf dem Rücken getragen wird." Mit einem überlegenen Lächeln hielt der Wissenschaftler ihr entgegen: "Und worauf steht die Schildkröte?" – "Sehr schlau, junger Mann", parierte die alte Dame. "Ich werd's Ihnen sagen: Da stehen lauter Schildkröten aufeinander." (Seite 13) Mit dieser Anekdote beginnt der millionenfach verkaufte Bestseller "Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums", in dem der englische Physiker Stephen Hawking die Geschichte und die neuesten Erkenntnisse der Kosmologie skizziert, und zwar ohne mathematische Formeln und allgemeinverständlich, mitunter sogar spaßig. Man hat mir gesagt, dass jede Gleichung in dem Buch die Verkaufszahlen halbiert. Ich beschloss also, auf mathematische Formeln ganz zu verzichten. (Stephen W. Hawking) Im ersten Kapitel (das mit der zitierten Anekdote beginnt) schildert Stephen Hawking die Entwicklung unserer Vorstellung vom Universum, von Aristoteles und Ptolemäus über Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei, Johannes Kepler, Isaac Newton bis zu Edwin Hubble. Sein Ziel sei es, so schreibt er weiter, die beiden heute grundlegenden, aber leider einander widersprechenden physikalischen Modelle – Relativitätstheorie und Quantenmechanik – widerspruchsfrei in einer Weltformel zu integrieren. Das Ergebnis wäre eine "Große Vereinheitlichte Theorie" ("Grand Unified Theory", GUT).
Heute beschreibt die Physik das Universum anhand zweier grundlegender Teiltheorien: der allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik. Sie sind die großen geistigen Errungenschaften aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Schwerkraft und den Aufbau des Universums im Großen [...] Die Quantenmechanik dagegen beschäftigt sich mit Erscheinungen in Bereichen von außerordentlich geringer Ausdehnung [...] Leider sind diese beiden Theorien nicht miteinander in Einklang zu bringen – sie können nicht beide richtig sein. Eine der Hauptanstrengungen in der heutigen Physik ist die Suche nach einer neuen Theorie, die beide Teiltheorien einschließt – nach einer Quantentheorie der Gravitation. (Seite 26) Im zweiten Kapitel erläutert Stephen Hawking die Phänomene Raum und Zeit. Dabei geht er zunächst wieder auf die Wissenschaftsgeschichte ein, um dann vor dem Hintergrund der allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins näher auf die Zusammenhänge zwischen Raum und Zeit ("Raumzeit") einzugehen.
Newtons Bewegungsgesetze machten der Vorstellung von einer absoluten Position im Raum ein Ende. Die Relativitätstheorie räumte mit der Idee der absoluten Zeit auf [...] Damit leitet Stephen Hawking zum nächsten Kapitel über: "Das expandierende Universum". Einstein wollte nicht an ein dynamisches (expandierendes) Universum glauben, obwohl seine allgemeine Relativitätstheorie dem hergebrachten Paradigma vom unveränderlichen Universum widersprach. Ein Modell des expandierenden Weltalls entwickelte der belgische Astrophysiker Abbé Georges Lemaître 1927. Der aus Russland stammende amerikanische Astrophysiker George Gamov baute es zusammen mit seinem Studenten Ralph Alpher 1946 weiter aus. Gamov hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor – überredete er doch den Kernphysiker Hans Bethe dazu, als Ko-Autor mitzuwirken. So erschien der Aufsatz unter den Verfassernamen "Alpher, Bethe, Gamov". (Seite 150f)
1965 postulierte der britische Mathematiker und Physiker Roger Penrose, "dass ein Stern, der unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft in sich zusammenstürzt, in eine Region eingeschlossen ist, deren Oberfläche und damit zwangsläufig auch deren Volumen schließlich auf Null schrumpft" (Seite 70),
Nach [Alexander] Friedmanns Modell des Universums bewegen sich alle Galaxien direkt voneinander fort. Die Situation erinnert an einen Ballon, auf den eine Anzahl Flecken gemalt sind und der gleichmäßig aufgeblasen wird. Während der Ballon expandiert, wächst die Entfernung zwischen zwei beliebigen Punkten [...] Je größer der Abstand der Flecken auf dem Ballon ist, desto rascher entfernen sie sich voneinander. Nehmen wir beispielsweise an, der Radius des Ballons verdoppelt sich in einer Sekunde. Dann liegen zwei Flecken, die ursprünglich durch einen Zentimeter getrennt waren, jetzt zwei Zentimeter auseinander (auf der Oberfläche des Ballons gemessen), daher beträgt ihre relative Geschwindigkeit einen Zentimeter pro Sekunde. Bei zwei Flecken hingegen, die ursprünglich zehn Zentimeter entfernt waren, beträgt der Abstand jetzt zwanzig Zentimeter, folglich ist ihre relative Geschwindigkeit zehn Zentimeter pro Sekunde. (Stephen Hawking und Leonard Mlodinow: Die kürzeste Geschichte der Zeit, Reinbek 2005, Seite 74ff)
Der Urknall (Big Bang) müsste heute noch zu "hören" sein. Tatsächlich stießen die beiden amerikanischen Physiker Arno A. Penzias und Robert W. Wilson von den Bell Telephone Laboratories in New Jersey 1964 bei nachrichtentechnischen Versuchen auf ununterbrochen und aus allen Richtungen mit gleicher Intensität aus dem Kosmos eintreffende Mikrowellen. Als sie 1965 erfuhren, dass Robert H. Dicke und Jim Peebles, zwei Physiker der Princeton Universität, nach den Resten der Strahlung des Urknalls suchten, glaubten sie, die Erklärung für das beobachtete Phänomen gefunden zu haben. Je genauer man die Position des Teilchens zu messen versucht, desto ungenauer lässt sich seine Geschwindigkeit messen, und umgekehrt. (Seite 77) Die Heisenbergsche Unschärferelation ist eine fundamentale Eigenschaft mit dramatischen Folgen: Wenn man nicht einmal den gegenwärtigen Zustand des Universums exakt messen kann, ist es auch unmöglich, zukünftige Ereignisse mit Gewissheit vorherzusagen, wie Pierre Simon Marquis de Laplace zu Beginn des 19. Jahrhunderts angenommen hatte. Aufgrund der Unschärferelation schufen Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger und Paul Dirac die Quantenmechanik, in der die Teilchen statt Position und Geschwindigkeit einen Quantenzustand aufweisen. Bei der Messung des Quantenzustands sagt die Quantenmechanik jeweils eine Reihe möglicher Beobachtungsergebnisse und deren Wahrscheinlichkeiten voraus. Das Ergebnis einer einzelnen Messung kann zwar nicht prognostiziert werden, doch immerhin die Ergebnisverteilung einer Messreihe. Die Quantenmechanik führt also zwangsläufig ein Element der Unvorhersagbarkeit oder Zufälligkeit in die Wissenschaft ein. (Seite 78)
Um "Elementarteilchen und Naturkräfte" geht es im folgenden Kapitel. Die Bezeichnung "Schwarzes Loch" ist sehr jungen Datums. Der amerikanische Wissenschaftler John Wheeler prägte sie 1969, um einen anschaulichen Begriff von einer Idee zu liefern, die mindestens zweihundert Jahre zurückreicht [...] (Seite 107) Der britische Gelehrte John Mitchell vertrat 1783 die Auffassung, ein Stern von hinreichender Masse und Dichte müsse ein so starkes Gravitationsfeld haben, dass ihm das Licht (dem er Teilchencharakter unterstellte) nicht entkommen könne. Heute nimmt man an, dass ein Schwarzes Loch entsteht, wenn die Materie eines entsprechend großen Himmelskörpers vollends zusammenbricht. Raum und Zeit gibt es an dieser Stelle des Universums nicht mehr. Schwarze Löcher können lediglich anhand ihrer Schwerkraft ausgemacht werden. Beispielsweise lässt sich beobachten, wie ein Schwarzes Loch Materie aus der Umgebung anzieht und "wegsaugt". – "Schwarze Löcher sind gar nicht so schwarz" lautet die Überschrift des folgenden Kapitels. Stephen Hawking fand nämlich heraus, dass Schwarze Löcher infolge quantenmechanischer Effekte eine Strahlung emittieren ("Hawking-Strahlung").
Nachtrag, Februar 2014: Über "Ursprung und Schicksal des Universums" referiert Stephen Hawking im achten Kapitel. In den Siebzigerjahren habe ich mich vor allem mit Schwarzen Löchern beschäftigt, doch 1981 begann ich mich erneut für den Ursprung und das Schicksal des Universums zu interessieren. (Seite 147)
Auf einer kosmologischen Jesuitentagung im Vatikan erläuterte Stephen Hawking 1981 seine Vorstellung von einem Universum, das weder Grenzen, noch einen Anfang oder ein Ende hat, also die "These, dass Zeit und Raum möglicherweise eine gemeinsame Fläche bilden, die von endlicher Größe, aber ohne Grenze oder Rand ist" (Seite 173). Das Anwachsen der Unordnung oder Entropie mit der Zeit ist ein Beispiel für das, was wir Zeitpfeil nennen, für etwas, das die Vergangenheit von der Zukunft unterscheidet, indem es der Zeit eine Richtung gibt. Es gibt mindestens drei verschiedene Zeitpfeile: den thermodynamischen Zeitpfeil, die Richtung der Zeit, in der die Unordnung oder Entropie zunimmt; den psychologischen Zeitpfeil, die Richtung, in der unserem Gefühl nach die Zeit fortschreitet, die Richtung, in der wir die Vergangenheit, aber nicht die Zukunft erinnern; und den kosmologischen Zeitpfeil, die Richtung der Zeit, in der sich das Universum ausdehnt und nicht zusammenzieht. (Seite 183)
Stephen Hawking weist darauf hin, dass es in den Naturgesetzen keinen Unterschied zwischen der Vorwärts- und der Rückwärtsrichtung der Zeit gibt. Es ist durchaus denkbar, dass das Universum irgendwann einmal einen Zustand maximaler Entropie erreicht und wieder in sich zusammenstürzt. Dann würde sich zumindest der kosmologische Zeitpfeil umkehren.
Nach der allgemeinen Relativitätstheorie muss es in der Vergangenheit einen Zustand unendlicher Dichte gegeben haben, den Urknall, der den Anfang der Zeit markiert, und muss es entsprechend bei der Umkehrung dieses Prozeses und dem Zustammensturz des gesamten Universums einen weiteren Zustand unendlicher Dichte in der Zukunft geben, den großen Kollaps, das Ende der Zeit [...]
Im Anhang schildert Stephen Hawking kurz die wissenschaftlichen Leistungen von Albert Einstein, Galileo Galilei und Isaac Newton. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2014
Stephen W. Hawking (Kurzbiografie) |