Hildegard Knef: Der geschenkte Gaul. Bericht aus einem Leben |
Hildegard Knef:
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Inhaltsangabe und BuchbesprechungHildegard Knef (Kurzbiografie)
Das Buch "Der geschenkte Gaul. Bericht aus einem Leben" von Hildegard Knef (1925 – 2002) kann man als Autobiografie (Sachbuch) oder Roman (Belletristik) lesen. Hildegard Knef (Kurzbiografie) Leseproben aus Hildegard Knef: Der geschenkte GaulÜber Hildegard Knefs Vater Hans Theodor Knef, der sechs Monate nach ihrer Geburt starb:
Er hieß Hans Theodor, war groß, war wild, war rastlos, war rothaarig – durcheilte Leben, durcheilte Berufe wie Schnellzüge Stationen – gewann Wettschwimmen gegen die Rheinströmung, gewann Fußballpokale, gewann Amateurboxkämpfe. Über ihre erste Begegnung mit dem Regisseur Boleslaw Barlog am Bahnhof Babelsberg während des Zweiten Weltkriegs: Vor mir schaukelt ein Mann mit zu Berge stehendem Kraushaar, von unsichtbarem Föhn hochgeblasen [...] Sein Zeigefinger nagelt mich an die Tür. »Wie heißen Sie?«, fragt er laut. Das »heißen« lässt einen Lispler erzischen, ein Zisch, einer in Sommersonne geöffneten Seltersflasche gleich. Ich flüstere: »Hilde Knef.« – »Sind Se Schauspielerin, ick brauchn Mädchen wie Sie, ja jenau wie Sie, ick heiße« – wieder sprudelt die Flasche – »Barlog … Boleslav, ick machn Film für die Terra, Der jrüne Salong, jrüüne Salong, schön unverfänglich, aber kriegswichtig, enorm kriegswichtig.« [...] Wie ein Könnten-wir-das-mal-nach-Drehschluss-besprechen-Regisseur sieht der nicht aus. Ich stottere was von Ufa-Nachwuchs. »Na, denn wer ick die Bongers mal frajen [...] Wenn der Scheißkrieg, diese ganze Scheißzeit« – dabei detonierte ein Siphon – »vorbei is, denn mack ick Theata, und wenn du was aufn Kasten hast, kannste bei mir spieln, da kommste einfach vorbei, und denn machen wa endlich anständjes Theata.« (Seite 66f) Nach ihrer Flucht aus einem russischen Kriegsgefangenenlager wandte sich Hildegard Knef 1945 an die Mutter ihres Geliebten Ewald von Demandowsky in Berlin, die ihr von russischen Soldaten erzählt: »Sie sind wie die Tiere«, sagte seine Mutter unbeirrt, »die ersten, die in den Keller kamen, waren noch annehmbar, das waren wohl die Elitetruppen, aber dann …« Sie seufzte, sah an die Decke, »Tiere, anders kann man es nicht nennen, der jungen Frau im Nebenhaus haben sie die Hand zerschossen; sie wollten Kartoffeln waschen und warfen sie in die Toilette, dann zogen sie an der Spülung, die Kartoffeln waren natürlich weg – Sabotage, brüllten sie und schossen herum. Das Lächerliche war, wir hatten kein Wasser mehr, nur in dem Spülbehälter hatte sich noch etwas gesammelt, Sabotage!!« (Seite 112f) Über ihr erstes Haus bei Los Angeles, 1948: Sie gaben uns die Adresse eines deutschen Regisseurs, der sein Haus im Benedict Canyon vermieten wollte. Es lag an einen Hügel geklebt, von wildem Gestrüpp umwachsen, war groß und billig. Dass es Klapperschlangen hatte, merkten wir erst, als wir eingezogen waren [...] Dass ich allnächtlich die Laken herunterreißen musste, um manche sanft Schlummernde zu verscheuchen [...] dass ihre Kinder im Briefkasten lebten und jedes Herausnehmen der Post zum täglich neuen Abenteuer gestalteten, hätte ich noch ertragen, dass jedoch die Katzen, die inzwischen ihre Zahl auf vierzehn erhöht hatten, nähmaschinengroße Eidechsen apportierten, die in Sesseln, Sofas und Heizung verschwanden, ließ mich in unbeherrschten Augenblicken in Tränen ausbrechen. (Seite 204f) Über den Skandal, den ihre kurze Nacktszene in dem Film »Die Sünderin« 1951 in der Bundesrepublik Deutschland auslöste:
Ich begriff nichts, hatte die Jahre der sittlichen Aufrichtung, der ersten wetterleuchtenden Zeichen eines Wirtschaftswunders und seiner nach Instandsetzung von Ordnung und Moral strebenden Gesellschaft verpasst, verstand nicht, dass mit Währungsreform, regelmäßiger Nahrung, geheiztem Schlafzimmer eine auf Keuschheit bedachte Betulichkeit Einzug gehalten und das Unfassliche des Vorhergegangenen ignoriert, abgeschrieben und verdrängt hatte. (Seite 281f) Über ihr Leben während der Dreharbeiten für einen Film von Carol Reed 1953 in Berlin: Mutter sieht sich in dem Hotelzimmer um. Ich folge ihrem Blick, nehme durch sie wahr, was vor sich geht: Ilse Müller hat ein Brett über zwei Stuhlrücken gelegt und bügelt ein Filmkleid, Jupp Paschke räumt seinen Schminkkoffer aus, der Plattenspieler dudelt, die Agentin telefoniert, zwei Zimmermädchen bitten um Autogramme, Hubmann fotografiert noch immer, ein englischer Aufnahmeleiter bringt den Dispositionsplan für den nächsten Morgen, ein Versicherungsarzt der Firma schreibt ein Rezept. Mutter sagt leise: »In dem Irrenhaus kann man doch nicht leben.« Die Agentin legt den Hörer auf, strahlt. »Das verstehen Mütter eben nicht. Sie ist Weltstar.« Unter Mutters Blick zerkrümelt das Weltstardasein. Die Tapete geblümt und fleckig, Bett und Schrank sperrholzig, Fenster zum Hinterhof, Abschminkpapier zwischen Gläsern und Kaffeekannen. (Seite 311) Über ihr Wiedersehen mit Boleslaw Barlog, 1953:
»Machste imma noch Kintopp?« sagt Barlog und rollt die Augen [...] Hör auf mit der Scheißfilmerei, bist berühmt jenuch, mach ma wat Anständjes bei mir.« Über ein Gespräch mit Kollegen nach der erfolgreichen Vorpremiere des Musicals »Silk Stockings« am 22. November 1954 in Philadelphia:
»Wann probieren wir eigentlich, wenn wir acht Vorstellungen in der Woche spielen? Ich meine, mittwochs und samstags haben wir Matineen – die fallen doch wahrscheinlich als Probetage aus«, sage ich. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Hildegard Knef (kurze Biografie) |