Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse (Roman) |
Thomas Meyer:
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Inhaltsangabe:Mordechai ("Motti") Wolkenbruch ist 25 Jahre alt, wohnt noch bei den Eltern in Zürich, studiert Wirtschaftswissenschaften und hilft im Versicherungsunternehmen des Vaters Moische mit. Das Sagen in der jüdischen Familie hat Judith Wolkenbruch, geborene Eisengeist. Und die findet, dass ihr Sohn, den sie weiterhin "Mottele" ruft, längst verheiratet sein müsste. Immer wieder versucht sie, ihn mit einer jungen Frau aus einer anderen jüdischen Familie zu verkuppeln, aber Motti gefällt keine von ihnen, denn sie sehen alle wie seine Mutter aus. Als er ihr einmal berichtet, dass da kein Funke übergesprungen sei, ruft sie: "Kejn funk! [...] Was brauchst du a funk! Du brauchst a froj!"
Michèle Blattgrün geht es ähnlich wie Motti. Als die Mütter die beidenzusammenbringen, verstehen sie sich auf Anhieb und vereinbaren, die Kupplerinnen erst einmal im Glauben zu lassen, dass sie heiraten würden, denn auf diese Weise können sie sich etwas Luft verschaffen. Doch allein schon der Tatsache, dass sie hojsn trug – wohlgemerkt auffallend sportlich geschnittene –, war zu entnehmen, dass es sich bei dieser froj um eine schickse handelte; auch ihr unjüdischer Name verriet, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit regelmäßig Schweine aß und am schabbes hemmungslos elektrische Gerätschaften in Gang setzte. Dennoch empfand ich den Namen Laura als Wohlklang, und ich muss gestehen, dass sich die Achse meiner jiddischkajt an diesem frimorgn leicht verschob. Als "schickse" ist Laura für Motti tabu. Für einen Juden wie ihn ist der Weg vorgezeichnet:
Er wird geboren und beschnitten, besucht den jüdischen Kindergarten, wird bar-mizwe, hält jeden frajtik-uwnt ein schabbes-Essen ab und geht in die schul; er feiert roscheschone, jom-kiper, sukes, chanike und pajsech, lässt sich von der mame frojen vorsetzen, sagt irgendwann erschöpft zu einer Ja, führt sie unter die chuppe, macht mit ihr viele kleine jidn, feiert eines fernen, leisen toges seine letzte chanike, wird wenig schpejter von seiner mischpuche zu Grabe getragen und erhält ein jor darauf einen stolzen Stein, auf welchem nicht nur sein Name steht, sondern auch jener seines Vaters [...]
Motti hat allerdings manchmal Zweifel am Verhalten orthodoxer Juden, beispielsweise wenn sie auf dem Weg zur Synagoge Tricks austauschen, wie sie das Verbot umgehen können, am Sabbat ein Elektrogerät wie den Mikrowellenherd einzuschalten. "A furchtbare briln. Du siehst aus wie Woody Allen."
Als er dann auch noch gesteht, dass es mit ihm und Michèle Blattgrün nichts wird, muss er zum Rabbiner Georges Wolf. Der empfiehlt eine Reise nach Israel und erwartet, dass Motti sich dort auf die Wurzeln des Judentums besinnt. "Und darfst du [...] einer Nichtjüdin auf den Arsch schauen?" Sie trinken zusammen Kaffee, und beim zweiten Treffen 13 Tage später wechseln sie zu Gin Tonic. Das ist so neu für Motti wie der Joint, den er einige Zeit später auf einer Party in Lauras WG raucht. Als er am nächsten Morgen nach Hause kommt, sind zwei Polizisten da, denn seine Mutter meldete ihn inzwischen als vermisst. Dass er mit einer Nichtjüdin im Bett war, trifft sie so tief, dass sie ihm seine Sachen vor die Tür stellt und das Schloss austauschen lässt. Motti trifft sich daraufhin mit Lauras Mitbewohner Enzo Magnano. Der kommentiert seinen Bericht mit den Worten: "Jetzt werfen die Juden einander schon selbst aus ihren Häusern." Enzo arbeitet als Webdesigner, und bei Thorsten, der für ihn programmiert, kommt Motti unter. Als Thorsten allerdings einige Zeit später nach Hause kommt, im Treppenhaus der vergeblich von ihm umworbenen Laura begegnet und dann auf den nur mit einer Unterhose bekleideten Motti trifft, muss dieser sich ein Hotelzimmer nehmen. |
Buchbesprechung:
Bei "Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" handelt es sich um einen Entwicklungsroman von Thomas Meyer über einen jungen Mann, der sich nicht nur von seiner dominanten Mutter, sondern auch vom orthodoxen Judentum emanzipiert. Das neue Ziel des tragikomischen Protagonisten besteht darin, nicht länger dem vorgegebenen Weg zu folgen und sich von seiner Mutter eine Braut aussuchen zu lassen, sondern selbst über sein weiteres Leben zu bestimmen. Ale zejner soln bej im arojsfaln, nur ejner sol im bleibn; ojf zejn-wejtik!
Diese jiddischen Einschübe tragen maßgeblich zum Lesevergnügen bei. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
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