Stefan Mühldorfer: Tagsüber dieses strahlende Blau (Roman) |
Stefan Mühldorfer:
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Inhaltsangabe:Robert Ames ist siebenunddreißig Jahre alt. Mit seiner Ehefrau Kala und dem fünfjährigen Sohn Jonathan wohnt er in Hamilton, Ontario. Das kleine Haus, in dem sie seit der Eheschließung vor elf Jahren wohnen, hatten sie mit finanzieller Starthilfe von Kalas Eltern Richard und Claire gekauft. Richard konnte sich die Großzügigkeit leisten; er ist stellvertretender Verkaufsleiter bei einer Ford-Niederlassung in Mississauga. Kala hatte kurz vor der Hochzeit ihr Literaturstudium abgeschlossen, und Robert arbeitete damals bei einer auf japanische Auftraggeber spezialisierten PR-Agentur in Toronto. Dabei hatte er Neuere Amerikanische Geschichte studiert. [...] hatte ich gerade meinen ersten Job nach dem Studium ergattert, verdiente ganz ordentlich und richtete mich auf ein ziemlich normales Leben ein. Ein normal erfolgreiches, muss ich sagen [...] (Seite 8)
Nach zwei Jahren Public Relations wechselte Robert zu Walter Buck, dem Chef eines Versicherungsbüros in Hamilton. Das war vor neun Jahren. Seither verdient Robert sein Geld mit Lebensversicherungen. Walter Buck sieht sich selbst als Pragmatiker; er tut, was ansteht und ist zuversichtlich, suboptimale Entscheidungen später korrigieren zu können. In seinen Augen ist sein fünfzehn Jahre jüngerer Partner ein Theoretiker. Auf diese Weise ergänzen sie sich gut. Draußen zeigt der Himmel sein strahlendes Blau, aber die Luft ist ziemlich frisch, und ich kann mir in diesem Augenblick nicht vorstellen, dass es stimmt, was die Nachrichten im Radio angekündigt haben: bis zu dreißig Grad und gegen Abend möglicherweise ein paar Wärmegewitter. (Seite 21)
Walter Buck erklärt ihm nochmals, wie er dessen Cottage in Port Dover findet, denn Robert und Kala sollen am Abend zu einer Party kommen. Dann fährt er los, um das Fest vorzubereiten.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Um sich wieder mit Kala zu versöhnen, kauft ihr Robert auf dem Heimweg einen Slip. Für Jonathan besorgt er ein Modellflugzeug. Bei Mark will er sich mit einem Fußballhelm entschuldigen – und bei dieser Gelegenheit Janet wiedersehen.
"Glaubst du, Michelle hat die ganze Sache inszeniert?" [fragt Glandis während der Rückfahrt im Auto] Vor Glandis' Haustüre wartet Raymond. Sie macht ihm entschlossen klar, dass sie doch nicht bereit ist, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Verärgert fährt er weg. Glandis lädt Robert noch auf eine Tasse Tee ein. Er erzählt ihr von seinen Erlebnissen an diesem Tag und von Kala. Sie hört zu, aber dann erklärt sie ihm, sie sei todmüde und werde jetzt ins Bett gehen. Er könne ruhig bleiben. Ohne weitere Umstände geht sie ins Schlafzimmer und zieht sich bei offener Türe aus; dann geht sie ins Bad. Robert hängt seine Kleider akkurat über einen Stuhl, so wie jemand, "der Angst davor hat, die Kontrolle zu verlieren" (Seite 233). [...] das hier war nicht geplant, flüsterte sie, nicht von mir und nicht von dir, und ich beugte mich zu ihr hinüber, legte ihr den Finger auf die Lippen und sagte, nichts davon. Nichts davon. (Seite 232)
Zwei Monate später: Kala und Robert haben sich getrennt. Er wohnt jetzt im Haus eines freundlichen älteren Ehepaares. Kala ließ ihn noch wissen, dass sie zwar mit Ken Marcus nicht intim gewesen sei, aber mit einem anderen Mann namens Frank, und in den letzten Jahren mehrere Affären gehabt habe. |
Buchbesprechung:
Ausgerechnet ein Mann, der andere Menschen versichert, verliert die Kontrolle über sein Leben. Banale Zufallsereignisse bilden unversehens eine Ursachenkette, die ihn aus der Bahn wirft. Dabei beginnt er zu begreifen, dass er sich mit einer Lebenslüge eingerichtet und sich selbst betrogen hatte. Ich heiße Robert Ames und bin siebenunddreißig. Meine Frau sagt, ich sehe jünger aus. Ich weiß nicht, ob das überhaupt eine Rolle spielt. Früher war mir mein Alter egal, jedenfalls war es nicht mehr als eine einfache Antwort auf eine einfache Frage. Erst im Lauf der Jahre ist mir bewusst geworden, dass die Frage nach dem Alter tiefer geht, als einem im ersten Moment selber lieb ist: Sie ist im Grunde die Frage danach, wo man im Augenblick steht. Dabei ist das gefährliche an der Frage, dass man nicht sagen kann, wann sie einen zum ersten Mal überrascht (nämlich dann, wenn man erkennt, dass es diesen Zusammenhang gibt); ab diesem Moment jedenfalls – ob man es sich nun eingestehen will oder nicht – hat sich ziemlich viel verändert. (Seite 7)
"Tagsüber dieses strahlende Blau" ist ein melancholischer, aber nicht schwerfälliger, sondern leichter, eleganter und feinsinniger Roman. Stefan Mühldorfer vermeidet Effekthaschereien und macht die Vorgänge gerade dadurch nachvollziehbar. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009 |