Geir Pollen: Wenn die gelbe Sonne brennt (Roman) |
Geir Pollen: Wenn die gelbe Sonne brennt |
Inhaltsangabe:Die Handlung des Romans "Wenn die gelbe Sonne brennt" von Geir Pollen spielt innerhalb eines knappen Jahres, von Herbst bis Sommer, etwa zur Jahrtausendwende. Den Namen des norwegischen Protagonisten erfahren wir nicht. Im April des zweiten Kalenderjahres, in dem sich das Geschehen bewegt, wird er 48. Während wir das Buch lesen, finden wir heraus, dass er als zehnjähriger Schüler für seine Lehrerin Jorun Johansen schwärmte, seit 1979 verheiratet ist, einen Sohn und eine Tochter hat, zunächst Studienrat war, aber nun schon zwanzig Jahre lang als Schriftsteller und Übersetzer tätig ist. Sein Lieblingsfilm ist "Drei Farben. Blau" und Juliette Binoche seine Lieblingsschauspielerin. Im September 1998 reiste er nach Chaniotis auf der Halbinsel Kassandra im Norden der Ägäis, um mit der Arbeit an einem Roman über den gescheiterten norwegischen Landschaftsmaler Peder Balke und dessen Verlobte Karen Ingvaldsen in Schwung zu kommen, doch mehr als 29 Seiten hat er bis heute nicht geschafft.
Am nächsten Morgen am Strand, während der Donner rollte und irgendwo jenseits des unsichtbaren Berges Athos der Blitz einschlug, starb, weniger als dreißig Meter von ihm entfernt, ein Mann [...] Zwanzig Jahre lang war er seiner Frau treu – bis er im Herbst während eines geschäftlichen Aufenthalts in Oslo, die Übersetzerin Velina kennen lernte. Sie gingen zusammen in ein Restaurant, anschließend in eine Bar und dann zu ihr ins Hotelzimmer. Velina – sie ist seit sieben Jahren mit einem Mann namens Arnfinn verheiratet und Mutter einer zweieinhalbjährigen Tochter, die Marianne heißt – legte sich zwar aufs Bett, ließ sich küssen und liebkosen, doch als er sich rittlings auf sie setzte und sich das T-Shirt über den Kopf zog, meinte sie: "Nein, das dürfen wir nicht." Als er am Morgen danach aufwachte, konnte er sich absolut nicht erinnern, ob er die Träger und das Oberteil des Unterkleids heruntergezogen oder den Seidenrock hinaufgeschoben hatte, bevor er sich über sie beugte und ihre linke Brustwarze in den Mund nahm. (Seite 7) Zu Hause überlegte er, ob er sie anrufen sollte oder nicht.
Er dachte: Von da an telefonierte er jeden Tag in seiner Mittagspause mit ihr und dann noch einmal am Nachmittag, bevor ihr Mann nach Hause kam.
Sie lebten zusammen am Telefon. (Seite 40)
In allen Einzelheiten malte er ihr am Telefon aus, wie er sie mit dem Mund zum Orgasmus bringen wollte. Dann entdeckte er, dass nichts einen Mann so leicht umhauen kann, wie als treuloser Ehemann und Vater Weihnachten zu feiern. (Seite 51)
Am Neujahrstag gestand er seiner Frau, dass er sie betrogen hatte und verlassen wollte. Seinen Kindern teilte er es am nächsten Morgen mit. Er zog zunächst zu seiner Schwester,
Kann es wirklich möglich sein, dass ich nur ihren Körper liebe? An ihn denke ich doch den ganzen Tag, von dem Moment an, wenn ich morgens aufwache, bis ich abends einschlafe, und selbst wenn ich daliege und schlafe, sind es Bilder ihres Körpers, die mich heimsuchen. Ich träume ja nicht von ihren Gedanken, was sie von Literatur hält, zum Beispiel, obwohl mich auch Literatur in höchstem Maß interessiert; nein, es ist ihr Körper, immer ihr Körper. Am letzten Wochenende seines Aufenthalts in der Stadt war Velinas Ehemann auf einem Seminar, und sie lud ihn für Samstagabend zum Essen ein. Während das Kind nebenan schlief, liebten sie sich. Velina sagte: "Ich vergesse zusammen mit dir, mich zu schämen." (Seite 101)
Am Sonntag gingen sie mit Marianne zusammen spazieren, aber es war, als hätte das Kind sie entfremdet. Als er am Morgen danach aufwachte, konnte er sich absolut nicht erinnern, ob er die Träger und das Oberteil des Unterkleids heruntergezogen oder den Seidenrock hinaufgeschoben hatte, bevor er sich über sie beugte und ihre linke Brustwarze in den Mund nahm. (Seite 186)
Weil Arnfinn glaubte, seine Frau habe eine dringende Übersetzung vor sich, fuhr er mit Marianne über Ostern zu den Eltern. Velina nutzte die Gelegenheit, Gründonnerstag bis Ostersonntag mit ihrem Geliebten zu verbringen.
So verlor er auch ihre Stimme. (Seite 243)
Die Angst, sie zu vergessen, trieb ihn um, und er begann, Phobien zu entwickeln, beispielsweise die ständige Sorge, sich auszusperren und wie unter Zwang alles, was ihm durch den Kopf ging, in sein dunkelblaues Notizbuch notieren zu müssen.
Sie saß immer auf derselben grünen Bank, auf der Seite des Parks, an der die Rue Guynemer verläuft, in einem knöchellangen lila Veloursrock, der, wenn es regnete, und es regnete nicht selten in diesen Tagen, vom Wasser und Matsch, durch die der Rock schleifte, ganz unten einen dreckigen, schwarzen Rand bekam, und sie hatte nie Schuhe an den Füßen, dagegen aber ein Paar dünne Herrensocken, wenn das Wetter kühl war. Und entweder rechnete sie, oder sie weinte, nie etwas anderes. Nein, er sah sie nie etwas anderes tun: Sie saß da, fieberhaft über eine kleine Kladde gebeugt, und schrieb mit einem fast unsichtbaren Bleistiftstummel – er glaubte zunächst, sie könne eine verschrobene Kollegin sein, die an etwas richtig Langem, Großem dichtete, vielleicht einem ganzen Familienroman; es gab genug von ihnen –, bevor er zu seiner großen Verblüffung entdeckte, dass es Zahlenreihen waren, mit denen sie sich so intensiv beschäftigte [...] Als er aber zum zweiten Mal an ihr vorbeikam – es mochte sieben, acht Minuten dauern, den Park zu umrunden –, sah sie von ihren Zahlenreihen auf, legte das Kinn in die linke Hand und brach in lautloses, aber nichtsdestoweniger verzweifeltes Weinen aus, sodass ihr Gesicht ganz geschwollen und aufgelöst war, als er zum dritten Mal an ihr vorbeikam. (Seite 250f) |
Buchbesprechung:
In seinem Roman "Wenn die gelbe Sonne brennt" beschäftigt sich der norwegische Schriftsteller Geir Pollen mit einem namenlosen norwegischen Schriftsteller, der sich nach zwanzig Jahren Ehe erstmals auf eine Affäre einlässt und verstört darüber sowie aus Angst vor dem Verlust auch dieser Liebe einen Roman darüber schreibt – den Roman, den wir gerade lesen. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006 |