Arthur Schnitzler: Reigen. Zehn Dialoge (Komödie) |
Arthur Schnitzler: Reigen. Zehn Dialoge |
Die Dirne und der SoldatSpät abends an der Augartenbrücke in Wien spricht die Dirne Leocadia den Soldaten Franz an, der auf dem Weg in die Kaserne ist. Weil es ihm bis zu ihrem Zimmer zu weit ist, treiben sie es in einer dunklen Ecke am Donauufer. Danach hat der Soldat es noch eiliger als zuvor, in seine Kaserne zu kommen.
Dirne: Du! Der Soldat und das StubenmädchenAn einem Sonntagabend zieht der Soldat Franz das Stubenmädchen Marie vom Wurstelprater weg in eine dunkle Allee.
Stubenmädchen: Jetzt sagen S' mir aber, warum S' durchaus schon haben fortgehen müssen. (Seite 21) Nach dem Koitus will er Soldat rasch zurück zum Prater, obwohl das Stubenmädchen nach Hause muss.
Soldat: Na ja, geh' halt zu Hause. Das Stubenmädchen und der junge HerrDer junge Herr Alfred liegt rauchend auf dem Diwan. Seine Eltern sind aufs Land gefahren, die Köchin hat Ausgang; nur das Stubenmädchen Marie ist im Haus. Er zieht sie zu sich herab und knöpft ihr die Bluse auf ... Der junge Herr und die junge FrauAm Abend erwartet der junge Herr Alfred im Salon eine junge Frau namens Emma. Sie kommt angeblich nur für einen Sprung vorbei und erinnert ihn mehrmals daran, dass er versprach, "brav" zu sein. Immer wieder betont sie, dass sie schon wieder fort sein müsste – doch sie bleibt.
Die junge Frau: Oh nein, es ist schändlich ... von mir. Ich begreife mich selber nicht. Adieu, Alfred, lassen Sie mich. (Seite 54) Der junge Herr trägt die junge Frau ins Schlafzimmer. Nach dem zweiten Beischlaf beteuert sie erneut: "Aber jetzt muss ich wirklich fort." Die junge Frau und der EhemannSpät abends unterhalten sich die junge Frau Emma und ihr Ehemann Karl.
Der Gatte: [...] Du bist ja das klügste und entzückendste Wesen, das es gibt. Ich bin sehr glücklich, dass ich dich gefunden habe. Der Gatte und das süße MädelDas süße, neunzehnjährige Mädel wohnt noch mit ihren Geschwistern bei der Mutter. Jetzt sitzt es mit dem Ehebrecher Karl in einem Chambre separée des Riedhofs.
Das süße Mädel: Was machst denn? (Sie küsst seine Haare.) .... Du in dem Wein muss 'was drin gewesen sein – so schläfrig .... du, was g'schieht denn, wenn ich nimmer aufsteh'n kann? Aber, aber, schau, aber Karl .... und wenn wer hereinkommt .... ich bitt' dich .... der Kellner. Das süße Mädel und der DichterDas süße Mädel betritt mit dem Dichter Robert dessen Zimmer. Der Dichter: Freilich bist du so dumm. Aber gerade darum hab' ich dich lieb. Ah, das ist so schön, wenn ihr dumm seid. Ich mein' in der Art wie du. (Seite 134) Obwohl das süße Mädel versichert, gleich wieder fort zu müssen, lässt es sich überreden, Hut und Mantel abzulegen. Während es das Mieder auszieht, mahnt es den Dichter: Aber du darfst deswegen nicht schlimm werden. (Seite 140) Der Dichter und die SchauspielerinDer Dichter betritt zusammen mit einer selbstbewussten Schauspielerin ein Zimmer in einem Gasthof auf dem Land. Nach einer Weile schickt sie ihn hinaus, und er geht vor dem Fenster spazieren, während sie sich entkleidet. Dann ruft sie ihn wieder herein, schlüpft ins Bett und fordert ihn auf, sich an den Bettrand zu setzen.
Schauspielerin: Nun, wem bist du in diesem Moment untreu? Die Schauspielerin und der GrafDer Graf macht der Schauspielerin, die noch im Bett liegt, einen Anstandsbesuch. Sie fordert ihn auf, sich etwas von ihr zu wünschen und ist enttäuscht, als er lediglich um die Erlaubnis bittet, am Abend nach der Theatervorstellung mit ihr zusammen sein zu dürfen. Er erläutert ihr, es sei nicht stilvoll, sich schon vor dem Frühstück zu lieben ("aber Frauen wie du .... nimmt man nicht vor dem Frühstück zu sich"); er bevorzuge es, zuerst zu soupieren und sich in Stimmung zu versetzen.
Schauspielerin (zieht ihn an sich) Der Graf und die DirneMorgens um 6 Uhr erwacht der Graf im Zimmer der Dirne Leocadia. So betrunken wie in dieser Nacht war er schon seit zehn Jahren nicht mehr: Er weiß zwar noch, wie er mit seinem Freund Lulu in das Hurenkaffeehaus hineinging, aber er kann sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen ist. Jetzt will er schleunigst fort. Graf: [...] Also das ist doch das Höchste ... ich bin bei so einer und hab' nichts getan, als ihr die Augen geküsst, weil sie mich an wen erinnert hat ... (Seite 207) Die Dirne erwacht und klärt ihn darüber auf, dass er nach dem Betreten des Zimmers zusammen mit ihr auf den Diwan hingefallen und nach dem Beischlaf sofort eingeschlafen sei.
Graf: [...] Also ... Es wär' doch schön gewesen, wenn ich sie nur auf die Augen geküsst hätt'. Das wäre beinahe ein Abenteuer gewesen ... Es war mir halt nicht bestimmt. [...] (Seite 210) |
Buchbesprechung: Die Sprache des Buches ist fein und leicht. Die Charaktere werden mit wenigen scharfen Strichen vorzüglich gezeichnet. Die dramatischen Verwicklungen sind mit psychologischer Feinheit entwickelt. Die Handlung wird in jedem Bilde bis unmittelbar vor den Beischlaf durchgeführt, der in dem Buche durch Gedankenstriche angedeutet wird. Darauf setzt die Handlung wieder ein, die die Wirkung des geschlechtlichen Rausches skizziert. Die geschlechtliche Beiwohnung selbst wird nicht beschrieben. Sie tritt vollkommen zurück, sie ist dem Dichter nur Mittel zum Zweck. (Seite 242)
In dieser "Rezension" fehlt nur ein Hinweis auf die Ironie, die sehr zu dem Vergnügen beiträgt, dass man bei einer Aufführung oder auch beim Lesen der Komödie "Reigen" empfindet. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004 / 2014
Arthur Schnitzler (Kurzbiografie) |