Ruprecht Skasa-Weiß: Fünf Minuten Deutsch. Modischer Murks in der Sprache |
Ruprecht Skasa-Weiß: Fünf Minuten Deutsch. Modischer Murks in der Sprache |
Inhaltsangabe und Buchbesprechung:Unter dem Titel "Fünf Minuten Deutsch" bringt die "Stuttgarter Zeitung" samstags eine Glosse. In dem gleichnamigen Buch hat Ruprecht Skasa-Weiß vierundneunzig seiner Beiträge zusammengefasst. Mit seinen launigen Ausführungen wendet er sich an Leser, Hörer und Fernsehzuschauer, die sich über Modewörter und Sprachschnitzer in den Medien ärgern. Nicht weniger, sondern immer mehr Wörter bieten wir auf, um einen simplen Sachverhalt zu bezeichnen. (Seite 28) Ruprecht Skasa-Weiß beklagt die "Verschwabbelung unserer Sprache" durch Pleonasmen. So sollte man in Sätzen wie dem folgenden das Wort "dafür" besser streichen: "Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Saat aufgehen könnte." In dem Satz "Hier herrscht ein heilloses Durcheinander" kann man sich das "ein" sparen. Eine Neuverschuldung braucht nicht abgesenkt zu werden – gesenkt reicht –, und einen Tank muss man nicht befüllen, sondern einfach nur füllen. Unnötigerweise polieren manche Journalisten ihre Sätze mit einem "es" auf: "Es ist dies die zeitgenössige Art des Sozialismus." – "Wenn der Abgeordnete zur Plenarsitzung kommt, pflegt er stets das Wort zu ergreifen." Das ist doppelt gemoppelt. Verschwurbelt sind auch Konstruktionen wie diese: "Die Maßnahmen scheinen nicht geeignet zu sein, um ein Wiederaufleben der Kauflaune herbeiführen zu können." Dazu schreibt Skasa-Weiß augenzwinkernd: "Leider ist unsereiner nicht in der Lage, die Sprecher und Schreiber von diesem Modalverb-Missbrauch abzuhalten. Oder heißt's abhalten zu können?" (Seite 22)
Das Gegenteil eines Pleonasmus muss auch nicht besser sein, etwa wenn jemand statt "Tausende von Demonstranten" nur noch "Tausende Demonstranten" schreibt. "Plastinator strebt erneutes Gastspiel in Stuttgart an" lautet eine falsch formulierte Schlagzeile (korrekt: "erneut ein Gastspiel"). Noch schlimmer klingt "schwächer als erwartete Einzelhandelsumsätze". Da könnte man ja gleich sagen: "Er hat ein nicht dick genuges Fell." Nun hatte unsereiner ja immer gedacht, der Rest, das sei der Müll, oder auch: Müll, das sei der Rest. (Seite 33)
Bei den ins Deutsche eingedrungenen Anglizismen kommt es spätestens im Fall von Flexionen zu Schwierigkeiten: gedownloadet, gemanaged, upgegradet; heißt es: er hat recyclt, recycled, gerecycelt oder regecyceled? Dürfen wir zugleich tief bewegt und todtraurig, hoch erfreut und hochgemut sein, sollen wir Putzmittel sortieren in fettlösliche und Fett lösende [...] (Seite 72)
Mit Steigerungen geraten viele in Schwierigkeiten: Heißt es weitgehendst oder weitest gehend? Können Züge pünktlicher geworden sein oder allenfalls weniger Verspätung haben? Und wie steht es mit Superlativen wie bestbezahlteste Manager und feinstgekleidetste Damen? Erscheinen und Scheinen mit Sinn und Verstand auseinander zu halten scheint im Deutschen fast unmöglich. Oder muss es heißen: erscheint fast unmöglich? Oder: erscheint als fast unmöglich? Oder: scheint fast unmöglich zu sein? (Seite 52)
Sein und Schein, scheinen und erscheinen, scheinbar und anscheinend: Diese Wörter werden ebenso häufig durcheinandergebracht, wie Angst und Furcht, fürchten und befürchten. Dass etliche Wörter sozusagen den Chromosomensatz zu verschiedener sexueller Ausprägung haben, zeigt uns der Spalt neben der Spalte, das Eck neben der Ecke, der Schurz neben der Schürze. Andere Substantive wechseln mit dem Geschlecht die Bedeutung. Wer fände nicht großes Gefallen daran, jemandem einen Gefallen zu tun? (Seite 180) Ein besonderes Problem gibt es, wenn man auf ein Mädchen zu sprechen kommt, denn mit welchem Pronomen fährt man dann fort: mit "es", wie es grammatikalisch richtig wäre oder mit "sie", wie es die Logik verlangt? Mark Twain meinte dazu: Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, eine Rübe dagegen schon. (Seite 136)
Von Mark Twain erzählt Ruprecht Skasa-Weiß übrigens auch, dass er in einem Gästebuch hinter den Eintrag eines Grafen "mit Diener aus Wien" schrieb: "Mark Twain mit Koffer aus Leder" (Seite 126). Das Deutsch, das man allenthalben spreche und schreibe – so etwa spräche oder schriebe der alte Sprachmeister Schopenhauer, käme er heute wieder –, komme ihm vor wie ein Kannibalen-Idiom. Was immer er an Gedrucktem zur Hand nehme, stoße ihn vor den Kopf. Die Sprachverhunzung habe seit seinen Tagen Fortschritte gemacht, wie selbst er, der professionelle Pessimist, es nicht einmal zu befürchten gewagt hätte [...] Heute gebe es manchen angesehenen Schriftsteller, der tue (was kein primitiver Wilder täte), als stünde er über der Grammatik [...], ja, als gäbe es überhaupt keine Grammatik mehr im Deutschen. Fahre man so einem nicht in die Parade, dann führe er womöglich fort, unsere Muttersprache zu schänden, als gälte es zu beweisen, dass keine Regel mehr gelte. Er rufe, so riefe der alte Polterer vermutlich aus, die anständig Gebliebenen zu Hilfe [...] (Seite 100f)
Ruprecht Skasa-Weiß (*1936), der älteste Sohn des Schriftstellers Eugen Skasa-Weiß, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Psychologie (1956 - 1961) als Redakteur und Dramaturg. Von 1963 bis 2001 gehörte Ruprecht Skasa-Weiß der Feuilleton-Redaktion der "Stuttgarter Zeitung" an. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006/2007
Konrad Duden (Kurzbiografie) |