Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders (Roman) |
Patrick Süskind: Das Parfum. |
Inhaltsangabe:Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich in Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden. Er hieß Jean-Baptiste Grenouille, und wenn sein Name im Gegensatz zu den Namen anderer genialer Scheusale, wie etwa de Sades, Saint-Justs, Fouchés, Bonapartes usw., heute in Vergessenheit geraten ist, so sicher nicht deshalb, weil Grenouille diesen berühmteren Finstermännern an Selbstüberhebung, Menschenverachtung, Immoralität, kurz an Gottlosigkeit nachgestanden hätte, sondern weil sich sein Genie und sein einziger Ehrgeiz auf ein Gebiet beschränkte, welches in der Geschichte keine Spuren hinterlässt: auf das flüchtige Reich der Gerüche.
Mit diesen Worten beginnt der Roman "Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders" von Patrick Süskind. Es war einer der heißesten Tage des Jahres. Die Hitze lag wie Blei über dem Friedhof und quetschte den nach einer Mischung aus fauligen Melonen und verbranntem Horn riechenden Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen. Grenouilles Mutter stand, als die Wehen einsetzten, an einer Fischbude in der Rue aux Fers und schuppte Weißlinge, die sie zuvor ausgenommen hatte. Die Fische, angeblich erst am Morgen aus der Seine gezogen, stanken bereits so sehr, dass ihr Geruch den Leichengeruch überdeckte.
Die junge Fischhändlerin, die bereits vier Totgeburten hinter sich hat – alle an der Fischbude –, schneidet die Nabelschnur durch. Doch diesmal wird sie ohnmächtig und fällt mit dem blutigen Messer in der Hand auf die Straße. Man ruft die Polizei. Und weil die Fischhändlerin gesteht, dass sie das von Fliegen umschwirrte Neugeborene zwischen den Fischabfällen hätte verrecken lassen, wird sie zum Tod verurteilt und geköpft. An die Welt gab es nichts ab als seinen Kot; kein Lächeln, keinen Schrei, keinen Glanz der Augen, nicht einmal einen Duft. Ohne Liebe und Religion wächst Jean-Baptiste Grenouille unter den Kostkindern der seelenarmen Madame Gaillard auf. Der Junge, der Besucher im Voraus ankündigt, weil er sie von weitem am Geruch erkennt, wird Madame Gaillard nach einiger Zeit unheimlich, und als er acht Jahre alt ist, übergibt sie ihn dem Gerber Grimal, der stets Bedarf an jungen Arbeitskräften hat. Es gab nämlich in dem Gewerbe Arbeiten – das Entfleischen verwesender Tierhäute, das Mischen von giftigen Gerb- und Färbebrühen, das Ausbringen ätzender Lohen –, die so lebensgefährlich waren, dass ein verantwortungsbewusster Meister nach Möglichkeit nicht seine gelernten Hilfskräfte dafür verschwendete, sondern arbeitsloses Gesindel, Herumtreiber oder eben herrenlose Kinder, nach denen im Zweifelsfalle niemand mehr fragte. Am 1. September 1753 wird der Fünfzehnjährige vom Duft eines rothaarigen Mädchens unwiderstehlich angezogen. Ohne diesen Duft hätte sein Leben keinen Sinn mehr. Sie war so starr vor Schreck, als sie ihn sah, dass er viel Zeit hatte, ihr seine Hände um den Hals zu legen. Sie versuchte keinen Schrei, rührte sich nicht, tat keine abwehrende Bewegung. Er seinerseits sah sie nicht an [...] hielt seine Augen fest geschlossen, während er sie würgte, und hatte nur die eine Sorge, von ihrem Duft nicht das Geringste zu verlieren.
Grenouille nimmt sich vor, ein ganz besonderes Parfum zu komponieren. Als Grimal ihn mit einer Lieferung Ziegenleder zu dem Parfumeur und Handschuhmacher Giuseppe Baldini auf dem Pont au Change schickt, nutzt Grenouille die Gelegenheit,
Mit raschen Scherenschnitten schlitzte er das Nachtgewand auf, zog es ihr aus, ergriff das befettete Laken und warf es über ihren nackten Körper. Dann hob er sie hoch, strich ihr das überhängende Tuch runter, rollte sie ein wie ein Bäcker den Strudel, falzte die Enden, umhüllte sie von den Zehen bis an die Stirn. Nur ihr Haar schaute noch aus dem Mumienverband hervor. Er schnitt es dicht über der Kopfhaut ab, packte es in ihr Nachthemd, das er zu einem Bündel verknotete. Zuletzt klappte er ein freigelassenes Stück Tuch über den geschorenen Schädel, strich das überlappende Ende glatt, tupfte es mit zartem Fingerdruck fest. Er überprüfe das ganze Paket. Kein Schlitz, kein Löchlein, kein aufgekniffenes Fältlein klaffte mehr, an dem der Duft des Mädchens hätte entweichen können. Sie war perfekt verpackt. Sechs Stunden wartet Grenouille geduldig neben der Leiche. Noch vor Anbruch der Morgendämmerung schlägt er das eingefettete Tuch auseinander und zieht es wie ein Pflaster vom Körper der Toten ab. Jetzt erst war sie für ihn wirklich tot, abgewelkt, blass und schlaff wie Blütenabfall. Am Morgen betritt Antoine Richis das Zimmer, in dem seine Tochter schlief – und findet zu seinem Entsetzen ihre nackte, kahl geschorene und blendend weiße Leiche vor.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Antoine Richis setzt eine hohe Belohnung auf die Ergreifung des Mörders aus, und schon nach wenigen Tagen wird Grenouille in Grasse festgenommen. Da man unter seinen Sachen die Kleider und Haare der fünfundzwanzig ermordeten Mädchen findet, gibt es keinen Zweifel an seiner Täterschaft. Am 15. April 1766 wird der Siebenundzwanzigjährige verurteilt: "Der Parfumeurgeselle Jean-Baptiste Grenouille [...] soll [...] auf ein Holzkreuz gebunden werden, bei lebendigem Leib zwölf Schläge mit einer eisernen Stange erhalten, die ihm die Gelenke der Arme, Beine, Hüften und Schultern zerschmettern, und danach auf dem Kreuze angeflochten aufgestellt werden bis zu seinem Tode". Das Urteil soll am übernächsten Tag um 5 Uhr morgens vollstreckt werden. Die eigens aufgebaute Tribüne füllt sich bereits eine Stunde vorher. Der zum Tod Verurteilte wird mit einer Kutsche gebracht.
Und dann geschah ein Wunder. Oder so etwas Ähnliches wie ein Wunder, nämlich etwas dermaßen Unbegreifliches, Unerhörtes und Unglaubliches, dass alle Zeugen es im nachhinein als Wunder bezeichnet haben würden, wenn sie überhaupt noch jemals darauf zu sprechen gekommen wären, was nicht der Fall war, da sie sich später allesamt schämten, überhaupt daran beteiligt gewesen zu sein. Die Schaulustigen geraten in Ekstase, und statt der Hinrichtung findet ein infernalisches Bacchanal statt. Sittsame Frauen rissen sich die Blusen auf, entblößten unter hysterischen Schreien ihre Brüste, warfen sich mit hochgezogenen Röcken auf die Erde. Männer stolperten mit irren Blicken durch das Feld von geilem aufgespreiztem Fleisch, zerrten mit zitternden Fingern ihre wie von unsichtbaren Frösten steifgefrorenen Glieder aus der Hose, fielen ächzend irgendwohin, kopulierten in unmöglichster Stellung und Paarung, Greis mit Jungfrau, Taglöhner mit Advokatengattin, Lehrbub mit Nonne, Jesuit mit Freimaurerin, alles durcheinander, wie's gerade kam. Grenouille war es gelungen, ein Parfum zu kreieren, das ihm die Liebe seiner Mitmenschen garantierte. Ein Tropfen davon hatte genügt, um die Hinrichtung zu verhindern. Antoine Richis nimmt den Mörder seiner Tochter wie einen lieben Sohn bei sich auf und beabsichtigt, ihn zu adoptieren, aber das olfaktorische Genie verlässt Grasse am nächsten Tag, denn die Menschen widern ihn an. Er weiß, dass es nicht sein natürlicher Duft ist, der die Menschen betört; er kann sich zwar parfümieren, aber er wird selbst niemals nach etwas riechen. Er besaß [...] eine Macht, die stärker war als die Macht des Geldes oder die Macht des Terrors oder die Macht des Todes: die unüberwindliche Macht, den Menschen Liebe einzuflößen. Nur eines konnte diese Macht nicht: sie konnte ihn nicht vor sich selbst riechen machen. Und mochte er auch vor der Welt durch sein Parfum erscheinen als ein Gott – wenn er sich selbst nicht riechen konnte und deshalb niemals wüsste, wer er sei, so pfiff er drauf, auf die Welt, auf sich selbst, auf sein Parfum.
Am 25. Juni 1767 kehrt er nach Paris zurück. Nachts mischt er sich am Cimetière des Innocents unter zwanzig, dreißig Diebe, Mörder, Huren und Deserteure und besprengt sich mit seinem Parfum – bis sie ihn für einen Engel halten und aus Liebe über ihn herfallen. Jeder möchte etwas von ihm haben, "ein Federchen, ein Flügelchen, einen Funken seines wunderbaren Feuers". Sie reißen ihm Kleider, Haare und die Haut vom Leib, zerstückeln seinen Körper mit Messern und Äxten und fressen ihn auf [Kannibalismus] |
Buchbesprechung: Literatur über "Das Parfum" von Patrick Süskind:
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 – 2006
Tom Tykwer: Das Parfum |