Italo Svevo: Zenos Gewissen (Roman) |
Italo Svevo: Zenos Gewissen |
Inhaltsangabe: Wenn er wüsste, wieviele Überraschungen eine Erläuterung der vielen Wahrheiten und Lügen, die er hier angehäuft hat, für ihn bereithielte ... (Seite 8) In seiner Vorrede berichtet der siebenundfünfzigjährige Patient von dem Vorschlag seines Psychoanalytikers, sich an vergangene Erlebnisse zu erinnern und diese zu Papier zu bringen.
Nach dem Essen liege ich bequem ausgestreckt in einem Clubsessel und halte Bleistift und ein Stück Papier in der Hand. Meine Stirn ist faltenlos, denn ich habe jede Anstrengung aus meinem Geist getilgt. [...]
Zeno strukturiert seine Lebensbeichte in sechs Kapitel: (1) Das Rauchen, (2) Der Tod meines Vaters, (3) Die Geschichte meiner Heirat, (4) Die Ehefrau und die Geliebte, (5) Die Geschichte einer Geschäftsverbindung, (6) Psychoanalyse. Mein Vater ließ im ganzen Haus halb gerauchte Virginia-Zigarren auf der Kante von Tischen oder Schränken liegen. Ich glaubte, das sei seine Art, sie wegzuwerfen, und glaubte auch zu wissen, dass unsere alte Dienstmagd, Catina, sie wegwarf. Ich ging sie heimlich rauchen. Schon wenn ich sie an mich nahm, durchlief mich ein Schauder des Widerwillens, denn ich wusste, wie übel mir davon werden würde. Dann rauchte ich sie, bis meine Stirn von kaltem Schweiß bedeckt war und mein Magen sich zusammenkrampfte. Man wird kaum behaupten können, es hätte mir in meiner Kindheit an Tatkraft gefehlt. (Seite 14)
Immer wieder hat er sich vorgenommen, das Rauchen aufzugeben und sich dafür besondere Anlässe ausgesucht. Doch in keinem Fall hatte er Erfolg. Der Tod meines Vaters [...] war eine wirklich große Katastrophe. Das Paradies existierte nicht mehr, ich aber war mit dreißig ein erledigter Mensch. Auch ich! Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass der wichtigste und entscheidenste Teil meines Lebens unwiderruflich hinter mir lag. (Seite 45) Etwa zur gleichen Zeit befreundete er sich mit dem Geschäftsmann Giovanni Malfenti und begann, ihn und seine Familie täglich zu besuchen. Malfenti hatte vier Töchter: Ada, Augusta, Alberta und Anna. Anna war noch ein Kind, Augusta in Zenos Augen zu hässlich, doch in die schöne Ada verliebte er sich auf der Stelle, und um in Adas Nähe sein zu können, musizierte er sogar mit Augusta.
Mein Leben vermochte nur einen einzigen Ton ohne jede Modulation hervorzubringen [...] Erst nach Monaten wagte er es, Ada nach dem Kirchgang abzupassen und sie nach Hause zu begleiten. Da gesellte sich ein junger Mann namens Guido Speier hinzu, bei dem es sich offensichtlich um Adas Auserwählten handelte. Bei der nächsten Gelegenheit gestand Zeno seiner Angebeteten, dass er sie liebe und wollte sie gegen Guido einnehmen. Sie wies ihn ab. Daraufhin machte er Alberta einen Antrag, aber die wollte sich der Schriftstellerei widmen und überhaupt nicht heiraten. In seiner Verzweiflung fragte Zeno nun Augusta, ob sie seine Frau werden wolle, und sie antwortete: "Sie, Zeno, brauchen eine Frau, die bereit ist, für Sie zu leben, und die Ihnen beisteht. Ich will diese Frau sein." (Seite 187)
1891 heirateten die beiden.
Ich konnte den Frieden in meiner jungen Familie nicht aufs Spiel setzen; besser gesagt: Ich setzte ihn nicht aufs Spiel, solange mein Begehren für Carla nicht größer wurde. Um einen Vorwand für einen Besuch bei Carla zu haben, kaufte er einen Traktat über die Gesangskunst, den er mit ihr gemeinsam studieren wollte. Zwischen Augusta und mir stand mein Abenteuer wie ein großer düstrer Schatten, und es schien mir unmöglich, dass er nicht auch von ihr gesehen würde. Ich fühlte mich klein, schuldig und krank und fühlte meinen Schmerz an der Hüfte wie einen sympathischen Schmerz, der von der großen Wunde meines Bewusstseins ausstrahlte. (Seite 261)
Zenos Gewissen, das sich ohnehin meldete, weil er seine Vorsätze, das Rauchen aufzugeben, immer wieder gebrochen hatte, machte ihm nun auch wegen des beabsichtigten Ehebruchs zu schaffen. Sogleich nahm er sich vor, Carla nicht wiederzusehen. Aber daran hielt er sich auch nicht: Carla wurde seine Geliebte. Morgen werde ich sie bitten, den Antrag des Lehrers anzunehmen, aber heute hindere ich sie daran. (Seite 336)
Bei Frühlingsbeginn ließ er sich überreden, mit Carla im Volksgarten spazieren zu gehen. Dabei begegneten sie Tullio, einem früheren Schulfreund, der auch mit den Malfentis befreundet war. Zeno gab Carla zwar als Freundin seiner Frau aus, doch Tullio durchschaute die Lüge. Selbst heute weiß ich noch nicht genau, weshalb ich Carla Ada als meine Frau präsentiert habe. Sicher ist, dass ich nach dem Heiratsantrag des Gesangslehrers das Bedürfnis verspürte, meine Geliebte enger an mich zu binden, und es kann sein, dass ich gemeint hatte, je schöner sie meine Frau fand, umso mehr würde sie den Mann schätzen, der ihr eine solche Frau (sozusagen) zum Opfer brachte. (Seite 343)
Die Begegnung nahm eine unerwartete Wendung: Carla fand Ada so schön und sympathisch, dass sie die Frau nicht länger mit Zeno betrügen wollte und den Heiratsantrag ihres Gesangslehrers annahm. "Ich war geheilt und wollte es nicht wahrhaben! Das hieß doch wirklich blind sein: Ich hatte erfahren, dass ich gewünscht hatte, meinem Vater die Frau – meine Mutter! – wegzunehmen, und ich fühlte mich nicht geheilt? Ein unerhörter Starrsinn meinerseits [...] (Seite 552)
Dr. S. behauptete, Zeno habe Giovanni Malfenti an die Stelle seines Vaters gesetzt und hätte aus verdrängtem Hass jede von dessen Töchtern geheiratet. |
Buchbesprechung: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Italo Svevo (Kurzbiografie) |