John Updike: Terrorist (Roman) |
John Updike: Terrorist |
Inhaltsangabe:
Ahmed Mulloy wächst in seiner Geburtsstadt New Prospect, New Jersey, auf. Seinen Vater Omar Ashmawy kennt er nur von einem Foto. Omar hatte Teresa Mulloy zwar während der Schwangerschaft geheiratet, sie und das Kind dann aber bald nach der Geburt verlassen. Seit fünfzehn Jahren hat Teresa nichts mehr von ihm gehört. Kennengelernt hatte die Tochter irischer Einwanderer den ägyptischen Austauschstudenten während ihres Kunststudiums an der State University von New Jersey. Inzwischen verdient die allein erziehende Mutter den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn als Schwesternhelferin am Saint Francis Community Hospital. Zum Malen kommt sie nur noch in ihrer Freizeit. Ihn hält seine Religion von Laster und Drogen fern, allerdings auch auf Distanz zu seinen Klassenkameraden und zu den Fächern des Lehrplans. (Seite 13)
Teresa, die seit ihrem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr an Gott glaubt, empfindet die Religiosität ihres Sohnes als schön. Dass es sich dabei um den Islam handelt, stört sie nicht.
"Hat der Imam jemals erwähnt", fragt er [Jack Levy] Ahmed, "dass sich ein schlauer Junge wie Sie in einer vielfältigen, toleranten Gesellschaft wie dieser mit einer Vielzahl von Ansichten auseinandersetzen muss?" Sein Gott sei kein Gott des Unternehmungsgeistes, meint Ahmed, sondern ein Gott der Unterwerrfung. [...] überkommt Ahmed auf einmal Panik angesichts der Bürde, ein Leben zu haben, das er wird ausfüllen müssen. Diese zum Untergang verurteilten Tiere, die sich dort, Paarung und Unfug witternd, zusammengerottet haben, genießen immerhin den Trost, sich in einer Herde von ihresgleichen zu befinden, und jedes von ihnen hat irgendeine Hoffnung oder einen Plan für die Zukunft – einen Job, ein Ziel, einen Ehrgeiz, und sei es auch nur der, in der Hierarchie der Drogendealer oder Zuhälter aufzusteigen. (Seite 236)
Aufgrund der außergewöhnlichen Intelligenz Ahmeds hält Jack es für abwegig, dass der Junge auf ein Studium verzichten will, das ihm hervorragende Karrierechancen eröffnen würde. Deshalb spricht er auch mit Teresa Mulloy über ihren Sohn, die jedoch nichts unternimmt, um Ahmed umzustimmen. Allerdings lässt sie sich auf eine Affäre mit dem dreiundzwanzig Jahre älteren Lehrer ein. Sie fahren einen Tanklaster und die Vorderräder beginnen zu schlittern. Was ist die wahrscheinlichste Folge? Die richtige Antwort lautet: Sie rollen in gerader Linie weiter vorwärts, egal wie stark Sie gegensteuern. (Seite 121)
Sobald Ahmed den Führerschein hat, bringt Scheich Rashid ihn mit Habib und Maurice Chebab zusammen, zwei Libanesen, die als junge Männer in die USA immigriert waren und in New Prospect ein Discount-Möbelhaus eröffnet hatten. Weil Maurice Chebab inzwischen die meiste Zeit in Florida lebt und sein älterer Bruder Habib unter Diabetes leidet, übernahm kürzlich Habibs Sohn Charlie die Firmenleitung. Der Fünfunddreißigjährige stellt Ahmed als Lastwagenfahrer ein.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Während Ahmed erfährt, was er zu tun hat, vertraut der US-Heimatschutzminister in Washington, D. C., seiner Mitarbeiterin Hermione Fogel an, dass man von einem geplanten Terroranschlag erfahren habe. Offenbar wolle sich ein Moslem mit einem Lastwagen in die Luft sprengen, aber man wisse noch nicht, wo sich das Fahrzeug befinde und wer der Selbstmordattentäter sei. Das Geld dafür habe ein aus dem Libanon stammender Immigrant in Florida bekommen, der mit seinem Bruder zusammen ein Discount-Möbelhaus in New Prospect, New Jersey, besitzt. Hermione Fogel stutzt: Ihre drei Jahre jüngere Schwester Beth lebt in New Prospect und erzählte ihr unlängst von einem araboamerikanischen Schüler ihres Ehemanns, der trotz seiner besonderen schulischen Leistungen LKW-Fahrer werden wollte. Sofort setzt Hermione sich mit ihrer Schwester und ihrem Schwager in Verbindung. Diese Teufel, denkt Ahmed, haben mir meinen Gott weggenommen. (Seite 397) |
Buchbesprechung:In seinem Roman "Terrorist" schildert John Updike aus der Perspektive des Protagonisten Ahmed Mulloy, wie ein in den USA aufgewachsener Achtzehnjähriger zum islamistischen Selbstmordattentäter wird. Aber es ist Updike nicht gelungen, sich in den Kopf des jungen Mannes zu versetzen und uns zu erklären, was in ihm vorgeht. Die Frage, warum der hervorragende Schüler sich von seinem Koranlehrer überreden lässt, den Lastwagen-Führerschein zu machen und sich ans Steuer eines mit Sprengstoff beladenen LKW zu setzen, wird nur mit Klischees beantwortet. Dass es Ahmed missfällt, wie die Menschen um ihn herum leben (Sex, Konsum) und er seit seinem elften Lebensjahr ein guter Moslem sein möchte, reicht nicht als Erklärung aus. Ohne einen Hauch des wilden Hasses, den man für den ihm zugedachten Akt erwarten würde, sagt er Ja und Amen zu allem und erweist sich, selbst wenn er in den Laster mit vier Tonnen Sprengstoff steigt, in erster Linie als ein braver Junge. Warum er das tut, begreift man eigentlich nicht. Im Zentrum des Buchs, man muss es leider so sagen, steht nicht ein Held, auch kein Antiheld, sondern eine narrative Null. (Burkhard Müller, Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2006) Dass John Updike den Terroristen nicht als Monster, sondern als sympathischen Menschen darstellt, finde ich richtig, aber die Entwicklung junger Männer zu Selbstmordattentätern wird in dem Film "Paradise Now" überzeugender dargestellt. Aufschlussreicher ist auch der Roman "Die Attentäterin" von Yasmina Khadra (eigentlich: Mohammed Moulessehoul). Originaltitel: "L'attentat" – "Die Attentäterin", Übersetzung: Regina Keil-Sagawe, Nagel und Kimche, München / Wien 2006, 269 Seiten, ISBN 978-3-312-00380-8 – Taschenbuch: dtv, München 2008, 269 Seiten, ISBN 978-3-423-13645-7 – "Die Attentäterin", Hörspiel mit Christian Berkel, Hans Peter Hallwachs, Peter Fitz u. a., Regie: Frank-Erich Hübner, Der Hörverlag, München 2006, 1 CD, ISBN: 978-3-89940-882-9
Außerdem wirkt der Roman "Terrorist" konstruiert: Der Protagonist ist der Sohn einer irischstämmigen Christin und eines muslimischen Ägypters, bei Jack Levy handelt es sich um einen agnostischen Juden, der mit einer Lutheranerin verheiratet ist und mit Ahmeds Mutter eine Affäre beginnt. Die afroamerikanische Prostituierte, die Ahmed am Vorabend des geplanten Selbstmordanschlags zugespielt wird, ist ausgerechnet eine frühere Mitschülerin, für die er heimlich schwärmte. Levys Schwägerin arbeitet für den US-Heimatschutzminister, der von dem bevorstehenden Terroranschlag erfahren hat – und die Schlussszene ist noch unglaubwürdiger. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
John Updike (Kurzbiografie) |