Jan Costin Wagner: Sonnenspiegelung (Erzählungen) |
Kritik: In den bildstarken Erzählungen baut Jan Costin Wagner durch dunkle Andeutungen eine dichte, beklemmende Atmosphäre auf. Dabei erkennen wir die Zusammenhänge erst nach und nach oder durch eine überraschende Schlusswendung. ![]() |
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Jan Costin Wagner: |
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Inhalt: Zentrale Themen der acht Erzählungen sind Verlust und Lebenskrise. Unfähig zur Kommunikation, bemühen sich die Menschen krampfhaft, die Abgründe, die sich vor ihnen auftun, hinter einer Fassade der Normalität zu verbergen: Am hellen Tag – Sonnenspiegelung – Weihnachtsengel – Tanzen – Nach stillen Nächten – Ein lachendes Herz – An einem anderen Ort – Kleine Monde ![]() |
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Jan Costin Wagner: Sonnenspiegelung |
Inhaltsangabe:Am hellen Tag
Während Sandra zu Hause im Internet surft und das Bild eines Wellenreiters anschaut, das Freundinnen für sie gepostet haben, fährt ihr Bruder Jakob mit seinem Freund Steffen zum Proberaum ihrer Band. Der Bandleader Steffen spielt Gitarre; Jakob ist der Drummer. Sonnenspiegelung
Schon vor dem Frühstück fällt Martin Harford ein Fremder auf, der auf der anderen Straßenseite im Schatten eines Baumes steht und herüberstarrt. Lena sieht ihn dann auch. Und während Martin Harford im Büro mit den japanischen Geschäftspartnern Nakamura und Akimoto verhandelt, ruft Lena beunruhigt an, weil der Mann noch immer da steht. Martin fährt deshalb früher nach Hause, geht zu dem Unbekannten und spricht ihn an, aber der Mann reagiert nicht auf ihn. Lena ruft die Polizei. Einer der beiden Streifenpolizisten versucht, mit dem Mann zu reden, hat jedoch auch keinen Erfolg. Mehr kann die Polizei nicht machen.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Den Brief findet Lena am nächsten Morgen, eine Stunde nachdem Martin ins Büro gefahren ist. Sie solle der Polizei mitteilen, heißt es da, dass die Leiche des vermissten Mädchens am Waldrand bei Klausen zu finden sei. Er war angetrunken und viel zu schnell unterwegs, als er die Radfahrerin mit dem Auto erfasste. Weihnachtsengel
Am Heiligen Abend ist der Einbrecher Modin unterwegs. Bei der alten Frau Beck brennt Licht im Wohnzimmer, aber er beobachtete, wie sie von ihrem Sohn abgeholt wurde und Geschenkpakete bei sich hatte. Er schlägt eine Scheibe ein und findet die Ersparnisse unter dem Bett: 780 Euro. Heute ist der Tag. Ein guter Tag, der richtige Tag. Ich habe lange darüber nachgedacht. Habe versucht, mir andere Wege vorzustellen. Aber es ist mir nicht gelungen, ich werde das, was ich getan habe, nicht teilen können. Mit niemandem. Wir werden Weihnachten feiern, die Kirche besuchen, zu Abend essen, Geschenke auspacken und dann gehen. Gemeinsam. Ich werde meine Familie mitnehmen müssen …
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Aufgeregt klopft Modin an die Gartentür der Zwillinge. Sie öffnen überrascht. Er rennt an ihnen vorbei, trifft auf Herrn Seidel, der mit einer Pistole in der Hand vor seiner Frau steht. Vier Schüsse fallen. Während Modin zu Boden geht, fragt er sich, wie wahrscheinlich es ist, vier Schussverletzungen zu überleben. "Ein … ein Einbrecher?", sagt die Frau."Nein … nein", sagt Seidel. [...] "Ein Engel", sagt er schließlich. "Was …?", fragt die Frau. "Ja … ein … Weihnachtsengel", sagt Seidel. "Ruf den Notarzt." Tanzen
Daniela besucht ihre demente Mutter Elisabeth im Pflegeheim. Elisabeth erkennt ihre Tochter nicht mehr. Sie schaut gebannt auf den Bildschirm des Fernsehgeräts, wo ein Tennismatch zu sehen ist. Offenbar erinnert sie sich noch irgendwie an ihre eigene erfolgreiche Zeit als Tennisspielerin.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Sie ahnt nicht, dass er die 100 000 Euro soeben durch Börsenspekulationen übers Internet verlor. Christian nimmt ein Bündel Banknoten aus einer Keksdose, 25 000 Euro, sein letztes Geld. Damit fährt er zum Spielkasino. Nach stillen NächtenMari, eine 28-Jährige, die an einem Medikament gegen Lymphdrüsenkrebs forscht, kommt nach langer Zeit am Heiligen Abend erstmals wieder in ihr Elternhaus. Ihr Bruder Dirk ist auch da, mit seiner Frau Susanne und den siebenjährigen Zwillingstöchtern Marlene und Melanie. Dirk ist Jurist wie der Vater, der bis zur Pensionierung Richter war.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Am späten Abend bleiben Mari und ihr Vater allein zurück. Die anderen sind alle schlafen gegangen. Mari klärt ihren Vater darüber auf, dass er in zwei bis drei Tagen sterben wird: In der Zigarette, die sie ihm vor vier Stunden anbot, war ein Gift. Er könne zwar die Polizei alarmieren, sagt sie, aber für eine medizinische Behandlung sei es bereits zu spät, und sie würde aussagen, dass sie ab ihrem achten Lebensjahr vom Vater sexuell missbraucht wurde, bis sie als 16-Jährige das Elternhaus verließ. Sie fordert ihren Vater auf, auch den ahnungslosen Angehörigen nichts zu sagen. Der Arzt werde Herzversagen diagnostizieren, meint sie. Ein lachendes Herz
Eine Tasse fällt zu Boden, und die Kellnerin Emilia verliert das Gleichgewicht, als der ICE auf freier Stecke eine Notbremsung durchführt. Der Zugführer sucht die Gleise ab, denn der Triebfahrzeugführer sah soeben im Scheinwerferlicht einen Mann mit ausgebreiteten Armen vor sich. Der Lebensmüde muss im letzten Augenblick zur Seite gesprungen sein, denn es gibt keine Spuren eines Aufpralls.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Tim leidet unter einer klinischen Depression. Am nächsten Tag um 17 Uhr hat er wieder einen Termin beim Chefarzt einer psychiatrischen Klinik, aber der erste Zug geht um 5 Uhr früh, zwölf Stunden vorher, und zwölf Stunden kommen Tim wie eine Ewigkeit vor. An einem anderen OrtDer Ich-Erzähler sieht im Garten einen vermummten, maskierten Mann. Er holt seine Pistole und schließt die Haustüre ab, obwohl er weiß, dass die Männer sich dadurch nicht aufhalten lassen. Svea kann sich zwar kaum aufrecht halten, geschweige denn gehen, aber er bringt sie in die Garage. Als er sie auf den Beifahrersitz hebt, erbricht sie sich. Nachdem er das Garagentor mit der Fernbedienung geöffnet hat, fährt er los. Aber er kommt nicht weit, sondern wird von einem anderen Fahrzeug gerammt. Beide Türen werden aufgerissen.
"Was ist mit dem Mädchen, du Wichser?!"
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Sanitäter kümmern sich um das bewusstlose Mädchen. Zu ihm sagt die Polizistin:
"… verhafte Sie unter dem Verdacht, am 7. Juni die damals achtjährige Svea Sindler entführt und seitdem festgehalten zu haben." Kleine Monde
Daniel und Kristina sind an diesem Silvesterabend bei Bernd und Helen eingeladen. Auch die Freunde Peter und Diana Mertens kommen mit ihrer Tochter Tabea, die im gleichen Alter wie Bernd und Helens Sohn Thomas ist und ebenso wie er mit Annika befreundet war, der bei einem Verkehrsunfall getöteten Tochter von Daniel und Kristina.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Bernd und Helen laden die Freunde ein, bei ihnen zu übernachten, aber sie brechen gegen 3 Uhr morgens auf. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge sind kleine Monde. Plötzlich lenkt Daniel den Wagen auf die linke Straßenseite. Kristina schreit. Als er zu sich kommt, liegt er auf dem Boden. Das Auto, das ihnen entgegenkam, muss sich überschlagen haben. Die Räder drehen sich noch in der Luft. Daniel fällt ein aus der Verankerung gerissener Kindersitz auf. Im eigenen Wagen sieht er Kristina auf dem Beifahrersitz. Sanitäter kümmern sich um sie ebenso wie um ihn. Offenbar ist er schwer verletzt. "Er kippt weg", sagt eine Stimme, in dem Moment, in dem ich endlich beginne, ins Leben zurückzukehren. |
Buchbesprechung:
Das Buch "Sonnenspiegelung" besteht aus acht zwischen 12 und 38 Seiten langen Erzählungen von Jan Costin Wagner. Einige davon waren zuvor in Zeitschriften oder Anthologien erschienen, wurden jedoch für diesen Band überarbeitet. Bei "Kleine Monde" handelt es sich übrigens um eine Figurenstudie für den Roman "Tage des letzten Schnees". |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Jan Costin Wagner: Das Schweigen (Verfilmung) |