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Koma, Wachkoma |
"Beim Wachkoma handelt es sich lediglich um eine Ausschlussdiagnose", beklagt die Psychologin Andrea Kübler, die an der Universität Würzburg über schwere Hirnschädigungen forscht. Wenn bei einem Patienten jede Form von Geit ausgeschlossen wird – also die Fähigkeit des Gehirns, mit der Umwelt zu interagieren und eine Idee von Identität zu haben –, dann wird ihm ein Wachkoma attestiert. Doch die Diagnose ziehen Experten zunehmend in Zweifel. Manche der vermeintlich Bewusstlosen registrieren sich und ihre Umwelt durchaus, wie moderne Diagnostik zeigt. "In der Routine werden solche Methoden allerdings nicht genutzt", moniert Andrea Kübler. Das habe tragische Folgen. So vermutet der belgische Neurologe und Koma-Spezialist Steven Laurey, dass 40 Prozent aller Wachkoma-Diagnosen nicht stimmen. (Friedrich Pkus: Aufflackerndes Bewusstsein, Süddeutsche Zeitung, 16. März 2011)
Anfang 2010 wurde berichtet, dass es Neurologen der Universitäten Liège und Cambridge gelungen sei, mit Wachkoma-Patienten zu kommunizieren. Sie untersuchten vierundfünfzig Patienten und stellten fest, dass fünf von ihnen nach einiger Übung in der Lage waren, ihre Gehirnaktivität so zu steuern, dass in der Kernspin-Tomografie Äquivalente für "ja" und "nein" sichtbar wurden. "Ein wichtiges Ergebnis ist, dass lediglich drei der fünf erfolgreich kommunizierenden Wachkoma-Patienten auch mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden als "bei Bewusstsein" eingestuft worden wären." (Süddeutsche Zeitung, 5. Februar 2010). Bei einem ähnlichen Experiment, ebenfalls in Liège und Cambridge, wurde den Wachkoma-Patienten gesagt, sie sollten sich vorstellen, eine Faust zu machen. Bei drei von sechzehn Testpersonen konnten die Wissenschaftler daraufhin im EEG entsprechende Gehirnaktivitäten nachweisen. (Süddeutsche Zeitung, 10. November 2011). |
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