Eine Vielzahl von Rissen behauptet - Jean Kriers Herzens Lust Spiele
14.01.2013 | ZUM GEDENKEN AN JEAN KRIER
11.08.2010 | Jean Krier gehört nicht zu der Sorte Mensch, die sich viel reinreden lassen. Wer den Dichter jemals in einer Diskussion erlebt hat, wird ihn als sympathischen Dickschädel kennen, als jemanden, der ebenso höflich wie bestimmt auf seinen Standpunkten beharrt. In seinem vierten Gedichtband „Herzens Lust Spiele“ kommt eine ähnlich eindringliche und unbeirrbare Stimme zur Sprache, die von elegant-poetisch über gemütlich-parlierend bis beißend-ironisch sämtliche Register zieht. Für den Band erhielt Krier...
Etwas anderes steht uns nicht zu
14.01.2013 | Ich erinnere mich an den 11. März 2011. Gegen Vormittag erzählte mir meine Freundin mit sorgenvoller Miene, es habe ein Erdbeben in Japan gegeben. „Soll wohl ziemlich stark gewesen sein.“ Stark, dachte ich in dem Moment – was ist denn für die deutschen Medien schon stark? Genau ein Jahr vorher wurde ich in unserem Apartment in der Tôkyôter Innenstadt ab und an des Nachts geweckt, von Erdbeben der Stufen 5 oder 6. Ich drehte mich ...
Ein Buch wie das Gewimmel einer Großstadt
13.01.2013 | Es gibt wohl kaum eine Stadt auf dieser Welt, die mit so vielen Klischees behaftet ist wie Paris. In der Stadt der Liebe isst man Croissants in einem schnuckeligen Café in Montmartre, besucht den Louvre und schlendert über die Champs-Élysées. Nicht zuletzt wegen solch romantischer Vorstellungen hat die Seine-Metropole weltweit zahlreiche Verehrer und gilt als heimliche Hauptstadt Europas. Will man etwa in einem amerikanischen Film verdeutlichen, ...
Der Geschmack des Blutes – Alexis Jennis monumentaler Roman über Frankreichs kleine Kriege im groβen Frieden
12.01.2013 | In mancherlei Hinsicht widersprechen sich die Realitäten des französischen Literaturbetriebs und Alexis Jennis Erstlingsroman über „Die französische Kunst des Krieges”. Während Jenni die These vertritt, die Kriege der vergangenen Jahre seien im Bewusstsein der Franzosen nie wirklich angekommen, haben Romane über den Krieg in Frankreich seit Jahren Hochkonjunktur. Sie verkaufen sich glänzend und werden mit Literaturpreisen überhäuft. ...
Sound der flachen Hierarchien
11.01.2013 | Techno und die dazugehörige Subkultur hatten es immer schon schwer. Der plumpe Vorwurf: Plastic music for plastic people, nichts Handgemachtes, hirn- und substanzlos. Geweitete Pupillen haben die auch noch – und natürlich keinen Sinn für die Realität. Eher einen komischen Geschmack, was Klamotten anbelangt. Etwas differenzierter argumentierte der intellektuelle Pop-Klüngel: Keine nennenswerte – schon gar nicht: politische – Message, ...
Die Welt verabschiedet sich in eine parallele
10.01.2013 | Es beginnt harmlos. Die Post wird ausgeliefert, Wetter und Beziehung sind mäßig bis schlecht, dann eine Reise an die Ostsee und weitere Alltagsbilder, Erinnerungen an Großmutter, Küchengespräche und lange Nachmittage in Papas Garage. Passiert hier eigentlich noch irgendwas Spannendes? ...
Unser Turnus der Spagat
09.01.2013 | 40% Paradies. Das erste Buch des offenen Berliner Lyrikkollektivs G13. Eine gemeinsame Anthologie! Oder doch nur ein Mäppchen poetischer Visitenkarten? Das wäre doch wirklich zu schade. Nach dem ersten Blick in die Texte der jungen, größtenteils Ende der 1980er Jahre geborenen Dichter lässt jedoch nichts darauf schließen, hier sei ein „Kollektiv“ am Werk gewesen – ein Kollektiv, das unter allen anderen Umständen jetzt auf der Bühne stehen, ...
Selbstwerdung und -verwaltung
08.01. 2013 | Lesen impliziert Mündigkeit. Wer nicht antwortet, kann einen Text nicht verantworten, die implizite Antwort, die jede Lektüre schon ist, ehe eine Reaktion zu Papier gebracht wäre. Also muß, wer Literatur theoretisch oder praktisch ins Zentrum seines Interesses rückt, sich vielleicht auch der Frage stellen, was heute für die Mündigkeit der zukünftigen Leser getan werde. Abwegig ist das nicht; Pädagogik – allemal ein Propädeutikum der Lektürekunst – verdient unser Interesse, liebe Lesende. ...
Poesie der physischen Präsenz
21.12.2012 | Als die Staatlichen Museen zu Berlin den Regisseuren Constantin Lieb & Felix von Boehm den Auftrag erteilten, zu der Ausstellung „Pergamon – Panorama der antiken Metropole“ eine Reihe von Kurzfilmen zu realisieren, entstand die Idee, lyrische Texte zeitgenössischer Dichter den antiken Fragmenten des Pergamon-Altars gegenüberzustellen. Die Wahl fiel dabei auf Gerhard Falkner, der sich nun dem Anforderungs-Dreiklang zwischen musealer ...
Kreisen um zerfallende Zentren
21.12.2012 | Man braucht einige Zeit, um sich in die lyrische Sprechweise und Tonlage Levin Westermanns einzufinden. Der Band unbekannt verzogen, der nun im Wiesbadener Verlag luxbooks erschienen ist, stellt zudem die Gedichte an den Anfang, deren Vokabular und Assoziationsspiel dem Leser ein Rätsel aufgeben, das sich auch im Fortgang des Buches nicht lösen lässt, nicht mit Anhaltspunkten umgibt. Gewiss kann es nicht um eine Auflösung ohne Rest gehen ...
Das schmerzhafte Fließen der Zeit
20.12.2012 | Yasmina Reza ist eine berühmte Frau. Ihre Theaterstücke „Kunst“ und „Der Gott des Gemetzels“ werden in der ganzen Welt gespielt, letzteres Stück verfilmte Roman Polanski 2011. Verwundert hat manchen vielleicht, dass Reza 2007 Frankreichs Ministerpräsidenten Nikolas Sarkozy auf seiner Wahlkampftour begleitete, um darüber ein Buch zu schreiben, das nach Sarkozys erfolgreicher Wahl erschien und unter „Frühmorgens, abends oder nachts“ auch ins Deutsche übersetzt wurde. ...
Zwischen Stellaland und Nouvelle Suisse
20.12.2012 | Ich habe den arktischen Strudel-Schlund gesehen, die Insel Kalifornien besucht und bin mit der U-Bahn von Boston nach Peking gefahren – ohne umzusteigen. Das alles habe ich in wenigen Stunden geschafft, bequem von zu Hause aus und mit dem Finger auf der Landkarte bzw. vielen Landkarten. An die Hand gegeben wurden sie mir von Frank Jacobs, einem Experten für kartographische Kuriositäten. Der 1971 geborene Flame war schon ...
Über Facebook, Google und andere unlösbare Probleme
19.12.2012 | Es gibt immer was zu sagen. Sei es am Stammtisch, im Seminarraum, an der Bushaltestelle, sei es durch die Blume, in aller Kürze, unter vier Augen, sei es in einer Besprechung wie dieser, sei es irgendwie irgendwo sonst. Alle haben eine Meinung zu allem, mag das Thema noch so umfassend oder so unscheinbar sein, immer findet sich jemand, der den Hörern ein Licht aufzustecken weiß und das, ohne sich, die Zuhörer oder ...
Der vierte Versuch
19.12.2012 | Von einigen Freunden und Bekannten weiß ich, dass sie Nietzsches Also sprach Zarathustra vornehmlich auf der Toilette lasen. Das hatte zum einen den Grund, so war man sich einig, dass eine Rede Zarathustras ziemlich genau der Länge eines Toilettengangs entspricht. Zum anderen aber, auch darin war man sich einig, sei die Toilette ein Ort, an dem man die erforderliche Ruhe und Konzentration für ein solches Werk finde. Beide Gründe heizten wiederum Spekulationen über den Ort der Textentstehung an, was an dieser Stelle aber zu weit führen würde. ...
Das Flittchen Schneewittchen
18.12.2012 | Ein Geschenk zum 200! Ein schön verpacktes Geschenk, Hardcover mit bezogenem Buchdeckel, weinrotes Lesebändchen, grünleinener Buchrücken, mit liebevoll gestalteten Anfangsvignetten von Kat Menschik, in großer Schrift, Großmutter könnte zur Not auch ohne Brille daraus lesen. Das Geschenk zum 200. Jahrestag des Erscheinens der Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm am 20. Dezember 1812. „Grrrimm“, heißt es ...
Krieg!
18.12.2012 | Erich Mühsam ist ein Autor, dessen Gedichte, Pamphlete und Prosastücke mich eher unmerklich begleitet haben. Kaum jemanden traf ich, der sich offensiv auf ihn bezog. Dennoch kam es vor, dass sie an die Oberfläche drangen. Das einzige Mal, dass ich eine Mauer besprühte, war Anfang 1990 gewesen, die erste Euphorie des demokratischen Aufbruchs in der DDR war verpufft, und in die Sprechchöre, die in Leipzig noch zu hören waren, mischten sich mehr und mehr nationalistische Töne, aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ war „Wir sind ein Volk“ geworden. ...
Vom Mut Fehler zu machen
17.12. 2012 | Ein großartiges Debüt nennt Shirin Sojitrawalla, die für die FAZ eine sehr schöne Rezension geschrieben hat, das Buch mit dem doppelt treffenden Titel "Elefanten sieht man nicht". "The elephant in the room", findet man im Buch erläutert, ist eine englische Redewendung, wenn ein großes Thema, dessen sich jeder bewusst ist, aus Angst oder Bequemlichkeit nicht ausgesprochen wird. ...
Nachdenken über den Hundskopf
16.12.2012 | Am Ende der Graphic Novel Reprobus steht ein Zitat der Band Mice Parade. „If the myths have gone away, will the stories ever stay in our time?“ Wenn so gefragt wird: wohl eher nicht, könnte man salopp antworten. Dabei darf die Frage im Internetzeitalter, das durch einen radikalen Positivismus geprägt ist, ruhig ernst genommen und darüber nachgedacht werden. Schließlich stellt es nicht gleich einen Verrat an der Aufklärung dar, ...
Geschichtslektionen - zeitgenössische Notate aus einer anderen Epoche
15.12.2012 | DICHTER UND PUBLIZIST GERHARD SCHÖNBERNER GESTORBEN.
Wie sein Hamburger Verlag mitteilt, ist Schönberner überraschend an einem Schlaganfall verstorben. Fixpoetry trauert um ihn.
03.08.2012 | Dieses Gedichtbuch ist leicht lesbar und hat es dennoch in sich. Hier spricht eine überlebende Stimme des zwanzigsten Jahrhunderts. Geschichtliche Räume werden mit knappen Worten umrissen und spürbar gemacht. Die Texte des politischen Publizisten Gerhard Schoenberner enthalten keinen doppelten Boden, weder sprachlich noch inhaltlich; sie sind in ihrer appellativen Symbolik eindeutig: ...
Die Schrecken langsamer Träume
15.12.2012 | Vor genau zehn Jahren erschien Harald Hartungs zwischen 1995 und 2001 entstandene Gedichtsammlung „Langsamer träumen“, und die Süddeutsche Zeitung bezeichnete das Buch damals in einer Lobrede als „Alterslyrik“ im positivsten Sinne, ein Buch das ganz im Jetzt ist, zugleich auch die Erinnerung begeht, das Damals im Jetzt sucht, etwa wenn der Autor sich auf die Kindheit in Prag und die Kindheit im Jahr Null zurückbesinnt ...
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