Startseite > Literaturkritiken > Belletristik > Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker (Hörbuch)
Polizeileutnant Schmied wird auf einer abgelegenen Bergstraße in der Zentralschweiz tot aufgefunden, erschossen aus allernächster Nähe. Der von schwerer Krankheit gezeichnete Roman-Protagonist und Vorgesetzte des Opfers Kommissär Bärlach wird mit der Aufklärung des Falles betraut; er spinnt ein imaginäres Netz um den mutmaßlichen Täter. Ironischerweise ist dies dessen neuer Assistent Tschanz, der den Kommissär hierbei auch noch tatkräftig unterstützt und sich selbst, Zug um Zug, die Schlinge um den Hals immer enger zieht, ohne irgendetwas dagegen unternehmen zu können. Kriminalassistent Tschanz leitet die Ermittlungen im Vordergrund während der Kommissär selbst im Hintergrund die Fäden zieht und ein Katz-und-Maus-Spiel auf höchstem psychologischem Niveau aufzieht.
Durch einige kriminalistische Kunstgriffe hofft Kommissär Bärlach ganz nebenbei - für ihn jedoch in der Hauptsache - eine uralte Rechnung mit seinem ehemaligen Freund und jahrzehntelangen Widersacher Gastmann zu begleichen, der vor den Augen des Kommissärs, aufgrund einer Wette der beiden einen Mord begann, der aber seit über 30 Jahren aus Mangel an Beweisen ungesühnt blieb. So versucht Bärlach diesen kühl rechnenden und selbstsicheren Verbrecherkönig Gastmann eben für einen Mord zur Rechenschaft zu ziehen, mit dem dieser nichts zu tun hat.
Mit "Kommissär Bärlach" (Der Verdacht) erschuf Friedrich Dürrenmatt eine Kriminalfigur, die stark autobiographische Elemente offenbart und mit den großen Ermittlern der Kriminal-Literatur wie Philip Marlowe, Hercule Poirot oder Jules Maigret auf einer Stufe steht! Ausgestattet mit schweizerischer Gemütlichkeit, kriminalistischem Scharfsinn und einer unglaublichen Kombinationsgabe meistert er alle Schwierigkeiten auf seine unkonventionelle und für seinen Vorgesetzten viel zu unwissenschaftlichen und unprofessionellen Art der Verbrechensbekämpfung. So entsteht von Anfang an der Eindruck, dass der immer etwas griesgrämige Bärlach, außer dem ständig schlechten Wetter alles unter Kontrolle hat - und das ist für den Zuhörer irgendwie beruhigend!
Diese Geschichte ist jedoch auch eine leise Kritik am Kriminalroman und an der Kriminalistik an sich, denn es wird von Anfang an wissentlich falsch ermittelt: der Kommissar kennt bereits alle Hintergründe und auch der Täter ist ihm bald bekannt. Er setzt die Ermittlungen nur fort, um seine eigene Gerechtigkeit zu erzeugen, die sich weder auf kriminalistisch-juristischen noch auf anderen legalen Wegen finden lässt. Zudem wiederholt sich in Der Richter und sein Henker Dürrenmatts das Hauptmotiv seiner grandiosen Kriminalromane, die des unentdeckten bzw. ungesühnten Verbrechens.
Nachdem man sich vom genialen Vorleser Hans Korte in dieses Meisterwerk von Friedrich Dürrenmatt in dessen nicht ganz einfachen, etwas langsamen und manchmal ausufernden Erzählstil hat hinein ziehen lassen, fesselt einen nicht nur die bis zur letzten Zeile spannende Story mit ihrem völlig unerwarteten Ausgang; die philosophischen Inhalte dieses Werkes regen einen selbst immer wieder zum Nachdenken an. So versteht es der Schweizer Dürrenmatt z. B. glänzend die Täter- bzw. Opferrolle ständig hin und her wandern zu lassen, wobei die Sympathien der Zuhörerinnen und Zuhörer ständig von einer Person zur anderen mitwechseln.
Fazit: Wenn Rezitator Hans Korte auf Dürrenmatts Meisterwerk trifft kann nur etwas ganz Großen entstanden sein - und genauso ist es!
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© 2009 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth
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