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Leseprobe: Klaus Ferentschik - "Schwelle und Schwall."

IN DIESER NACHT schlief sie nur wenig. Wie sie sich auch drehte und wälzte, ganz gleich, wie bequem ihre Stellung zu sein schien, nach kurzer Zeit war es ihr unmöglich, dergestalt liegen zu bleiben. Aber das lag weniger an der körperlichen, sondern mehr an der geistigen Haltung.
Sie konnte die gedanklichen Abschweifungen noch so herbeibefehlen, alles in ihr beschäftigte sich mit dieser Bohne, mit der Polizei und was sonst noch damit zusammenhing.
Ständig änderte sie ihre Lage, rutschte unruhig hin und her, daß einmal die Nase der Wand zugewandt war, dann der Stube, der Decke oder der Matratze. Kaum glaubte sie, daß das, was sie gerade dachte, zu weit führe, sie nicht mehr ertragen könne, wechselte sie die Stellung, in der Hoffnung, diese Hinundher- und Kreuzundquerdenkerei ändere sich auch entsprechend, aber dem war nicht so. Alles in ihr schien schlechthin festgefahren.
Sie versuchte sich mit Körperlichkeiten abzulenken, sich zu streicheln, fuhr sanft mit den Händen über die sonst so reizbare, weiche Haut, über ihre Brüste, ihre Schamlippen und die Klitoris. Vergebens, es waren belanglose Berührungen, die ihr keinerlei Empfindungen, überhaupt keine Lust verschafften, daß sie es gleich wieder aufgab. Schließlich fordert Selbstbefriedigung mehr als nur die Aktivität, verlangt Selbstmuße, Selbstzärtlichkeit und keine schwerbeladene Birne mit lästigen, leicht fauligen Innereien.
So stand sie endlich mißmutig auf, versuchte die übrige, immer länger dauernde Zeit bis zur Dämmerung irgendwie herumzubringen, indem sie eine Arbeitsmappe auf die Platte in der Studierstube legte, sich davor setzte, sie öffnete und darin versank. Bis die Uhr zur üblichen Zeit läutete, draußen die Sonne in ihrer steten Wiederkehr die Dämmerung ablöste, Amseln sangen und die Jalousien der gegenüberliegenden Wohnungen geöffnet wurden.
Ihr waren Jalousien verhaßt, spätestens seit sie diese fürchterliche Erzählung gelesen hatten, in der die Wohnsphäre einer Frau durch die Jalousien einer genau vis-à-vis gelegenen Bude mit einer Kamera beobachtet und gefilmt, somit auch eine folgende, entsetzliche, geradezu brutale Abschlachterei aufgezeichnet worden war. Letztlich wurde dann der Person, die verborgen hinter der Jalousie der gegenüberliegenden Wohnung mit der Kamera hantierte, aus der zu beobachtenden und gleichzeitig zu filmenden Wohnung, durch deren Jalousie und direkt durch die Kameralinse in die Pupille geschossen.
Sie schauderte, als sie an diese Geschichte dachte, deren Sprache sie damals sehr schön fand, auch die Aufbereitung war wirklich gelungen, nur die Handlung war ihr zu brutal, sie hätte aus dieser Idee eine feine Liebesgeschichte bereitet, eine Spielerei voller Erotik, wobei sie gerne diese voyeuristische Richtung beibehalten hätte, nur wäre bei ihr niemand umgekommen, wohingegen dort gleich zwei Personen auf schier bestialische Art ermordet wurden. Einfach die Beobachtung mittels Kamera durch Jalousien nützen, um der einen die andere Person nahezubringen, ohne daß sie sich je begegnet wären.
Aber hinsetzen und Geschichten schreiben war nicht ihre Aufgabe, dazu fühlte sie sich nicht auf der Welt, wer sich dazu berufen fühlt, bitte sehr, aber ihr schien diese Tätigkeit zu sehr mit Empfindlichkeiten verbunden zu sein, schreiben macht empfindlich, und so wie sie war, glaubte sie sich empfindlich genug, mehr könnte sie nicht gebrauchen und bloß schwer ertragen. (S. 32ff.)

© 2000, Haffmans, Zürich.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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