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Joseph Roth: Die Kapuzinergruft

Hörspiel-Produktion von ORF und NDR
Berlin, Wien: speak low, 2013
2 CDs
Gesamtlaufzeit 110 Minuten
16,80 Euro
ISBN: 978-3-940018-08-3

Hörprobe: An meine Völker (Dauer 5:17 Min.)


Requiem auf die Monarchie

Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass Joseph Roth wohl der eindringlichste literarische Chronist des Untergangs der österreichisch-ungarischen Monarchie war. Heute - wenn schon nicht am Vorabend des Ersten Weltkriegs, so doch am Vorabend der nun einsetzenden 100-Jahr-Gedenkveranstaltungen - erscheint Die Kapuzinergruft wie eine narrative Zusammenfassung jener Strömungen, die Europa und insbesondere Österreich grundlegend veränderten.

Joseph Roth hat zwar Die Legende vom heiligen Trinker als sein "Testament" bezeichnet, hinsichtlich seines schriftstellerischen Kernthemas bildet zweifelsfrei die 1938 erschienene Kapuzinergruft einen kongenialen Schlusspunkt. Anhand des Schicksal von Franz Ferdinand Trotta wird Glorie und Verfall der Monarchie deutlich. Schon im Radetzkymarsch bildet der Mikrokosmos der Familie Trotta den Nährboden für Roths zwischen anschaulichem und weit ausholendem Erzählen und lockerem Essayismus pendelnden literarischen Dokumentarismus. Während jedoch im Radetzkymarsch der adelige Teil der Familie Trotta im Mittelpunkt steht, sehen wir in der Kapuzinergruft den Verfall des Bürgertums zunächst durch den Krieg, aber auch durch ein zerstörtes staatliches Gefüge in den Jahren danach.

Der Bruder von Franz Ferdinands Großvater war einst der Held von Solferino, weil er Kaiser Franz Joseph das Leben rettete. Von diesem Heroismus ist indes wenig übrig. Franz Ferdinand ist ein junger Bohemien, der vom Beginn des Ersten Weltkriegs geradezu überrumpelt wird. An dem Tag, am dem er einrücken muss, heiratet er Elisabeth Kovacs. Eine junge Frau, mit welcher ihn im Prinzip wenig gemeinsame Erfahrung verbindet. Im Krieg gerät er in russische Gefangenschaft und kehrt erst am Weihnachtsabend 1918 zurück nach Wien. Seine Frau Elisabeth ist die Geliebte einer mutmaßlichen Hochstaplerin geworden und versucht im Kunstgewerbe zu reüssieren. Sukzessive müssen Hypotheken auf das stattliche Wohnhaus der Trottas genommen werden, da alles Vermögen der einst reichen Trottas in Kriegsanleihen verloren ging. Obwohl Elisabeth schließlich ein Kind mit Franz Ferdinand bekommt und das eigene Wohnhaus als Pension umfunktioniert einen vernünftigen Lebenswandel ermöglicht, löst sich das vermeintliche Glück rasch auf. Elisabeth wird Schauspielerin und verlässt Franz Ferdinand und schließlich Österreich. Die Mutter Franz Ferdinands stirbt nach einem Schlaganfall. Um den Kern der Familienbiografie greifen viele Schicksale ineinander und zeichnen das Bild von Österreich bis zum Anschluss nach. Für Interpreten bietet der Roman viel Angriffsfläche, so kann etwa die Mutter als Repräsentantin der Traditionen der k. u. k. Monarchie verstanden werden, während Franz Ferdinands Frau Elisabeth mit ihren homosexuellen und individuellen Bedürfnissen die Moral einer neuen Zeit verkörpert. Das ganze freundschaftliche Umfeld Franz Ferdinands scheint in einer apathischen Haltung zu verharren; die einstigen dekadenten Müßiggänger sind zu gebrochenen Charakteren geworden. Selbst der Vater von Elisabeth, Franz Ferdinands Schwiegervater, kann sich als vermeintlicher Kriegsgewinnler nicht behaupten; die ruinierte Heeresverwaltungsstelle ist nicht mehr in der Lage, den einstigen Hutmacher der Armee auszuzahlen. Als wäre dem Roman ein Mantel der Traurigkeit übergezogen, entsteht ein Requiem auf die Monarchie.

In der letzten ergreifenden Szene sucht Franz Ferdinand Trotta die Kapuzinergruft, also die Ruhestätte der Habsburger (und Habsburg-Lothringer) in Wien, auf. Symbolträchtig ist dieser Ort als Abgesang auf die Monarchie, deren Ende Roth stets als großes europäisches Verhängnis betrachtet hat. Mit dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 stirbt die Hoffnung auf eine Auferstehung des Vielvölkerstaates entlang der Donau endgültig. Eine Hoffnung, welche etwa die Legitimisten hegten. Ein Jahr später stirbt Joseph Roth als verarmter Exilant in Paris; wenige Monate danach beginnt der Zweite Weltkrieg.


Ein Hörbuch als Lehrbuch

Die Hörspielbearbeitung der Kapuzinergruft hat Helmut Peschina übernommen, der bereits folgende Roth-Bücher für den Hörfunk bearbeitet hat: Hotel Savoy, Hiob, Die Legende von heiligen Trinker, Die Flucht ohne Ende und Die Geschichte der 1002. Nacht.
2012 fand in Auftrag von österreichischem Rundfunk und norddeutschem Rundfunk die Produktion statt, die nun im Hörbuch-Verlag speak low als CD vorliegt. Mit einem überbordenden Ensemble bekannter Schauspielernamen und deshalb vertrauter Stimmen - u. a. Michael Rotschopf, Cornelius Obonya, Birgit Doll, Peter Simonischek, Johannes Silberschneider, Alexander Jagsch, Gerti Drassl, Peter Matic - gelingt eine überaus gegenständliche Inszenierung des Romans.
Schon beim Lesen des Textes ist es wie selbstverständlich gewissermaßen einen Film vor dem inneren Auge abzuspulen. Mit den recht dialoghaltigen Szenen gelingt auch die dramaturgisch wirkmächtige Bearbeitung in Hörspielform. Durch die Musik von Max Nagl sind in Summe 18 Szenen überzeugend verbunden, die damit auch den gesamten Handlungsbogen des Romans vom April 1913 bis zum März 1938 beinhalten.
Diese Hörspielfassung der Kapuzinergruft stellt eine geradezu didaktisch vorbildliche Behandlung des Stoffes dar.

Alexander Peer
21. Dezember 2013

Originalbeitrag.

Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.





































































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