Turbulenzen
Die Maschine glitt langsam nach unten. Samuel hustete sich über ein erleichtertes Räuspern hinweg, das ihm angesichts der Tatsache, daß sie nun endlich am Ziel waren, ziemlich albern vorkam. So albern wie die Ängste, die er in den letzten anderthalb Stunden ausgestanden hatte.
Zu Beginn hatte er sich selbst noch täuschen können. Hatte höflich gelacht, als ihm Ronnie ein stinkendes braunes Paket in den Schoß drückte und meinte: "Dein Fallschirm, Kumpel. Besser, du brauchst ihn erst gar nicht."
Dann beim Start - die Ente! Irgendwie war sie plötzlich dagewesen. Oder zumindest ein nicht zu übersehender dunkelroter Rest von ihr, denn der Propeller hatte den Großteil des Federviehs im Bruchteil einer Sekunde in alle Winde zerstreut.
Als Ronnie sich dann seitwärts aus der Maschine hängen ließ, um der "verdammtesten aller Schweinereien", wie er grunzte, mit einem ölverschmierten Fetzen beizukommen, verspürte Samuel dann doch so etwas wie leise Furcht in sich aufsteigen.
Während Ronnies gewagter Putznummer - immerhin war der alte Bruchpilot schon über siebzig - trudelte die Maschine wie ein Korkenzieher um sich selbst nach unten und röhrte dabei wie ein abgestochener Bulle, sodaß es Samuel einige Mühe kostete, sich auf klare Gedanken zu konzentrieren. Gedanken wie: Ich habe nichts zu befürchten, es ist alles in bester Ordnung. Gedanken wie: Im RTL wiederholen sie nun wieder "Bonanza". Ich muß Marion daran erinnern, Videokassetten einzukaufen.
Und trotzdem erschrak er wieder, als in der Gegend von Sisotobell Lane plötzlich Rauch und gleich darauf kleine Stichflammen aus den Ritzen des Armaturenbretts aufstiegen. Aber auch dieses niedliche Problem wurde mit einem ordentlichen Schluck Whisky aus Ronnies Flachmann gelöst.
Endlich am Ziel angelangt, fand Samuel, daß es an der Zeit sei, seine lachhaften Ängste endlich in den Griff zu bekommen. (S. 85f.)
© 2000, Berenkamp, Hall in Tirol.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.