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Margret Kreidl: Einfache Erklärung

Alphabet der Träume
Wien: Edition Korrespondenzen, 2014.
128 Seiten, Euro 19,-.
ISBN: 978-3-902951-03-8.

Autorin
Werke
Leseprobe

Träume sind in der Literaturhistorie seit jeher ein beliebter Topos. Denken wir nur an Homers Ilias, wo der Traum als Zeus' Bote fungiert. Oder auch an biblische Geschichten, allen voran mit dem Traumdeuter und Propheten Daniel. Träume in der Literatur sind mitunter ein beliebter Trick, um Gegenwelten, Utopien oder Dystopien aufzuzeigen, um sich vor religiöser oder staatlicher Zensur zu schützen. Und natürlich: Seit Sigmund Freud haben Träume eine tiefenpsychologische Bedeutung. Im Traum hält das Unbewusste Zwiesprache mit dem Bewusstsein.
Genau mit diesem rationalen Spiel das Irrationale zu erklären, beschäftigt sich die Dichterin und Dramatikerin Margret Kreidl in ihrem neuesten Band Einfache Erklärung. Alphabet der Träume. Die gebürtige Salzburgerin, Jahrgang 1964, ordnet in alphabetischer Reihenfolge Stichwörter, die in ihren Träumen vorkommen - mit vermeintlichen "einfachen Erklärungen".
Unter den 364 Stichwörtern lesen wir kurze Versreime, reimfreie Bildsprachen, kurze Geschichten, poetische Assoziationen - erinnern jeweils an Sequenzen eines Traumes. Sie changieren zwischen komisch, ironisch, logisch, absurd, melancholisch, ängstlich. Von sexuellen Anspielungen bis aktuell-politischen Kommentaren.
Doppelbödig ironisch ist etwa ARBEITSTIER: "Oh, edles Tier in Blau! / Darf ich vorstellen, meine Frau. / Einfache Erklärung: Ein Mann macht viel Arbeit." Daneben gibt es sexuell-anzügliche Stichworterklärungen wie etwa in KUNSTREITERIN - auch hier nicht frei von Ironie: "Ich wünsche mir die Bücher des Himmels und einen Schimmel, auf dem ich nach Paris reiten kann, wo die Pimmel nur auf mich warten, weiße und schwarze, undsoweiter undsofort immer. / Einfache Erklärung: Ich spreche gern Französisch."
Zudem finden sich scharfe Kommentare über politische Ereignisse, die einen im wahrsten Sinne des Wortes im Traum verfolgen: der Irak-Einmarsch, die Fukushima-Katastrophe, der Aufstand auf dem Tahrir-Platz in Kairo, der Bürgerkrieg in Syrien, die Euro-Schuldenkrise. Alles wird in den Träumen reflektiert, wird mit Biografischem vermengt. Beispielsweise mit Kreidls Heimatstadt Salzburg. Unter dem Stichwort JEDERMANN entlarvt sie die Salzburger Festspiele als ein unerträgliches Kommerzfestival. Während sie in PESSACHMATRATZE Salzburg als antisemitisch bezeichnet.
Starker Tobak? Mitnichten. Denn in diesen kurzen Erläuterungen deutet Kreidl das Unbewusste einer Gesellschaft an. Alles was im Verborgenen wabert, bekommt durch eine einfache Erklärung eine punktuelle Brisanz. Klar ist auch: Diese Erklärungen sind vermeintlich einfach. Sie sind zugespitzt, reduzieren einen komplexen Sachverhalt oder ein persönliches Ereignis auf eine einzige Formel, auf eine unbeirrbare Ursache, auf eine alleinige Deutung. Aber es ist auch eine Kritik an komplexreduzierter Deutung von Ereignissen. Kritik an Politik und Medien, die den Bürger keine abwägende Analyse anbieten. Aber auch Kritik an uns selbst, da wir aus Bequemlichkeit nach simplen Erklärungen suchen.
Doch die mehrfach ausgezeichnete Dichterin reflektiert in ihren poetischen Miniaturen auch über den Traum selbst; stellt das Verhältnis von Traum und Realität her und infrage. Etwa in DROGENRAUSCH, FERNSEHEN, TRAUMVASE. Letzteres erklärt Kreidl: "Gestern Blume - heute ein Traum, sagt ein japanisches Sprichwort." Prägnant und poetisch zugleich. Natürlich kommen bei Traum und Alphabet Autorinnen vor, die sich damit beschäftigt haben. Querverweise auf Inger Christensen mit Das Alphabet und Das Schmetterlingstal sind ebenso präsent wie Ilse Aichinger, Herta Müller, Elfriede Jelinek und Ilse Kilic.
Fazit: Mit ihrem beeindruckenden neuen Buch Einfache Erklärung hat Margret Kreidl einen vielschichtigen und spannenden Traumalmanach geschaffen. Sie bedient sich meisterhaft unterschiedlicher Stile, parodiert, travestiert, überspitzt und findet witzige Formulierungen. Ein bissiger Band - garantiert nicht nur für Träumer!

Von Angelo Algieri
März 2014

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.






















































































































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