Textprobe:
Was mache ich eigentlich, jetzt, wo die Agentur nicht mehr dort ist, wo sie damals war, und keiner in dem Gebäude mir Auskunft geben kann? Ich meine, falls das jemals eine richtige Agentur gewesen ist, denn was es genau war, wusste ja nicht einmal Sibylle. Sie hat drum herum geredet, als hätte sie mich im Ausverkauf am Wühltisch ergattert und wollte ihren Freundinnen gegenüber nicht zugeben, dass ich so billig gewesen war. Dass man nicht einmal nachfragt, wo das Baby genau herkommt, verstehe ich nicht. Nicht aus Shanghai, hat sie gesagt, sicher nicht aus Shanghai, das weiß sie. Ich wurde vermittelt, richtiggehend vermittelt wie ein traurig dreinschauender Cockerspaniel in der Sendung von Edith Klinger: Biiiiiitte, biiitte, biiiiitte, das arme Kinderl, rufen’s doch an.
Vielleicht hat Sibylle mich gewonnen, an irgendeiner Rummelbude, so wie ich und Johanna damals die Stoffkuh: Hitze auf dem asphaltierten Platz, ein helloranger Himmel, zwei Lostrommeln vor dem Stand mit den Kuscheltieren. Johanna hatte in den Reihen voller Spielzeug aus Schaumstoff und Plüsch die Kuh entdeckt, ein Hauptgewinn. Genau diese Kuh wollte sie. Ich sehe Johanna noch genau vor mir: Übermütig, wie sie mich dazu bringt, für fünf Euro Lose aus der einen Trommel zu ziehen. Sie selbst zog ebenfalls für fünf Euro aus der anderen. Wir hielten uns die Papierzettelchen gegenseitig unter die Nase, konnten den Zufall nicht glauben: Wenn wir zusammenlegten, hatten wir gewonnen.
(S. 46, 47)
© 2015 Deutsche Verlagsanstalt, München