Damit zog er seine Brieftasche hervor und zeigte ihm das Photo von Nina, das er ihr irgendwann einmal abgeschwatzt hatte und seither mit sich trug. Er hatte Leute nie gemocht, die das taten, aber jetzt war er selbst einer von denen und hielt es ihm hin, als wäre es eine Erklärung für alles, ein unspektakuläres Portrait, das er wegen ihres gerade im Ansatz erkennbaren Lächelns mochte und einmal nach einem Streit zerfetzt und dann gleich wieder so penibel zusammengeklebt hatte, daß die feinen Risse durch das Gesicht kaum mehr zu sehen waren. Der Alte nahm es wie eine Gabe in beide Hände, und Ludwig konnte nicht sagen, was ihn daran störte, aber es war auch die Art und Weise, wie er dann meinte, sie sei ein Engel, die altherrenhafte Verstaubtheit dieser Formulierung, die jede Anzüglichkeit ausschließen sollte und gerade dadurch etwas Verschwitztes hatte. Während er ihm das Photo zurückgab, erzählte der Alte, daß seine erste Frau und ihre gemeinsame Tochter von den Kommunisten umgebracht worden seien, und er legte nicht nur wie Claudia seine ganze Verachtung in das Wort, es war auch klar, daß er damit eine Verbindung herstellen wollte, eine Komplizenschaft auf der Basis eines ähnlichen Schicksals, mochte der Vergleich noch so bemüht sein. Er sagte nichts weiter darüber, und Ludwig hatte keine Zeit nachzufragen, weil da schon sein Angebot kam, fünfhundert Dollar in der Woche, bar jeden Samstag, am Sonntag frei und ein Appartement in der Stadt, über das er verfügen konnte. Seine Aufgaben ließ er im unklaren, er weihte ihn nur so weit ein, daß er seine Rückkehr nach Kroatien plane und daß er dabei jemanden wie ihn gern um sich hätte, was er mit einem Schlag auf die Schultern bekräftigte.
(S. 47f)
© 2008 Carl Hanser Verlag, München.