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Marlen Schachinger: Albors Asche. Roman


Leseprobe:

VIER UHR DREIUNDVIERZIG...

Als Lucia an die Tür klopfte, hatte er auf sieben Seiten die Ankunft der Fremden in Albor festgehalten, er hatte die wahrscheinliche Stärke ihres Haares berechnet, seine Spannkraft aufgrund der wehenden Bögen, die es in Luft und Kies zeichnete, hatte die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken vermerkt und die Schönheit ihrer Augen. Er hatte geschrieben, dass es ihn nicht wundere, dass sie, die Fremde, in die Barbara-Kirche einzog, denn nichts anderes bedeutete der Vorname dieser Heiligen als >die Fremde<, ihr Tag war der vierte Dezember, eine Märtyrerin unter Kaiser Gaius Galerius Valerius Maximus, genannt Daja – so wurde es erzählt. Historisch belgen ließ sich Barbaras Existenz nicht, was der Legendenbildung immer schon förderlich gewesen war. Barbara, eine der vierzehn Nothelferinnen, Patronin der Sterbenden, wirkt gegen Feuer und Blitzschlag, Fieber, Pest und jähen Tod, hatte er notiert, und dass man deshalb diese Kirche, die hauptsächlich aus Holz gebaut war, ihr weihte, 1396, vielleicht auch erst 1398, das Schriftbild in den Annalen der Kirche war in all den Jahrhunderten verwischt worden, und dass sein Onkel 1984 die Kirchenbücher vor dem Wüten des Generals hatte retten können, grenzte ohnehin an ein Wunder, oder alle Nothelfer hatten zusammengewirkt – Achatius, Ägidius, Blasius, Christopherus, Cyriacus, Dionysius, Erasmus, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon, Veit – dreizehn, auf wen hatte er vergessen? Er hatte die Feder abgelegt, nach dem Bleistift gegriffen, auf dem Notizblock hatte er sich nochmals ihre Namen notiert, untereinander dieses Mal:
Achatius,
Ägidius,
Blasius,
Christopherus,
Cyriacus,
Dionysius,
Erasmus,
Georg,
Katharina,
Margareta,
Pantaleon,
Veit
– natürlich! Eustachius, Helfer in allen schwierigen Lebenslagen, wie konnte ihm bloß Eustachius entfallen, ausgerechnet ihm, der von einem Unglück ins nächste taumelte? Er hatte hochgesehen, weil er das Knarren einer Tür vernommen hatte, war ans Erkerfenster getreten, da war sie wieder, die Frau, fünf Uhr einundzwanzig, um die Kirche zu umrunden. Sie hatte hochgesehen, ihm lächelnd einen Gruß zugewunken, woraufhin er derart erschrocken zurückgewichen war, dass ihm der Bleistift entglitten war – winken, die althochdeutsche Wurzel verwies noch auf >sich biegen<, und er hatte sich an dem festgehalten, was er wusste, ebenso wie an den vierzehn Nothelfern, Eustachius nicht vergessen, das Memorieren seines Wissens verschaffte Boden, (...)

(S. 14 ff)

© 2015 Otto Müller Verlag, Salzburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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