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Leseprobe: Alfred Goubran - "Tor."

(S. 21f)

Es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen einen meiner Schulkameraden zu mir nach Hause einzuladen. Obwohl es mir niemand verboten hatte. Ich dachte einfach nicht daran. Vielleicht habe ich dir deshalb nie von dem Haus erzählt.
Und wenn ich es heute tue, dann musst du wissen, dass meine Erinnerung daran nicht ausgeredet ist wie andere Erinnerungen, die man so lange im Erzählen wiedergeholt hat, bis sich das Erzählte gefestigt und eine Fassung gefunden hat, die das Erlebte ersetzt. Meine Erinnerung gleicht auch nicht den Bildern, die von Zeit zu Zeit aus dem Vergessen in unser Bewusstsein auftauchen, hochschießen wie Bojen – Fundbilder der Wiederbegegnung mit längst versunkenen Orten und Menschen, die uns unerwartet in die Gegenwart purzeln. Auch diese Bilder können Türen sein, Tore, oder Schlüssel dazu. In meine Erinnerung an jene Zeit aber kann ich so selbstverständlich eintreten, wie ich früher aus dem Haus in den Hof ging. Ich muss dafür nicht einmal die Augen schließen, ich muss nur hinsehen, und alles ist da: Der Hof, der Baum, die Höhlung des Blattwerks der Büsche, über mir das Pflanzendach, gedeckt mit lanzettförmig dunkel- und gelbgrünen Schindeln, unter mir die festgestampfte Erde, herbstlich kühl; der klebrige Pflanzenschaft einer Goldrute, behaart und voller Blattläuse, der Nektar der Taubnessel, den man den kleinen weißlichgelben Blüten saugt – alles ist ganz nah. Es ist eine Welt, in die ich nach Belieben eintreten, in der ich herumgehen und immer wieder etwas Neues entdecken kann. Eine Welt, die in mir existiert und nur noch in mir lebendig ist, in einem Maße wirklich, wie es die Realität nie sein kann. Dieser kahle, nur an den Rändern begrünte Hof ist mein Garten, und meine Eltern waren dort eigentlich immer nur Besucher. Sie waren die Hausbewohner, die nach der Arbeit heimkamen, aßen, schliefen, aufstanden, sich wuschen, frühstückten und wieder gingen. Wie alle Hausbewohner lebten sie in dem Haus, das ihnen nicht gehörte, wie Lakaien, waren Angestellte des Hauses. Und eigentlich lebten sie dort gar nicht, sondern hielten es nur instand.

© 2008 Kitab Verlag, Klagenfurt-Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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