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Leseprobe: Karl Markus Gauß - "Wirtshausgespräche in der Erweiterungszone"

Von der EU hält Gyula viel und nichts zugleich. Die Europäische Union bin ich, behauptet er. Er arbeite gerne in Deutschland, verdiene ordentlich und habe, auch als ihn deutsche wie ungarische Freunde dafür gewinnen wollten, nie ernstlich daran gedacht, seine kapitalistischen Erfahrungen und geschäftlichen Verbindungen zu nutzen, um in Budapest eine eigene Firma aufzuziehen. Er sei schließlich in Deutschland auch nicht Teilhaber des Architekturbüros geworden, warum solle er jetzt mit deutschen Geldgebern zum ungarischen Geschäftsmann werden? Zu Zeiten des Kommunismus war Ungarn noch ein besonderes Land, zwar Ostblock, aber eben doch dessen liberaler Vorposten. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs habe Ungarn viel von dem Renommee eingebüßt, das freieste Land im Ostblock zu sein. "Aber Euch ist es auch nicht besser ergangen", freut sich Gyula, "Österreich hat in der Welt auch mehr bedeutet, solange es noch an der Grenze zweier Blöcke lag."
Gyula mag Ungarn nicht besonders, aber er wird bis ans Ende seiner Tage damit beschäftigt sein, nach Ungarn zu fahren und es nicht besonders zu mögen. Man versteht, warum ich bei jedem Gespräch mit ihm den Eindruck habe, es eigentlich mit einem österreichischen Landsmann zu tun zu haben.
Überhaupt, als er nach Deutschland gekommen war, habe er gestaunt, wie hart und diszipliniert in seiner Firma gearbeitet wurde. Mittlerweile sind die Deutschen schlampig, nachlässig, als wären sie Ungarn. In Ungarn hingegen arbeiten die Leute jetzt, als wären sie wie die Deutschen von früher: effektiv, ausdauernd, grimmig. Ja, muß ich Gyula da fragen, war es früher womöglich besser? "Nein, um Himmels willen, keineswegs! Nur, wo ist noch Deutschland und wo Ungarn?" Ich glaube, ich fahre so gerne mit Gyula, weil er ein heimatloser Melancholiker ist. Da der Westen ein wenig wie Ungarn und Ungarn ziemlich stark wie der Westen geworden ist, braucht er den Bártok Béla und diesen Speisewagen. Der ist ihm eine Art von fahrender Heimat, die es nicht mehr gibt.
(S. 77f)

© 2005, Otto Müller Verlag, Salzburg / Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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