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Leseprobe: Reinhard P. Gruber - "Die Vorgänge bei der Betrachtung."

Graz, die unheimliche Literaturhauptstadt

Man kennt ja das Beispiel eines steirischen Dichters, der, kurz nachdem er die Stadt Wien gesehen hatte, ins Kloster ging. Als sich herausstellte, daß die dort lebenden Mönche ebenfalls Wiener waren, blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als der Enthaltsamkeit und ihrer Kutte ade zu sagen und sich in Graz einzubürgern. Die qualifiziertesten Dichter Wiens, die ihrer Stadt sämtlich durch Selbstmord entgehen zu müssen glaubten, sind an einer typisch wienerischen Ignoranz gestorben: sie wußten nicht, daß es Graz gibt. In Wien bringen sich die Dichter um, in Graz diskutieren sie. In jedem zweiten Haus wohnt ein berühmter Dichter. Man braucht nur in eine Straßenbahn einzusteigen und schon ist man mitten in einer Literaturdiskussion. In Wien müssen die Dichter zum Rundfunk betteln gehen, damit ihnen eine Viertelstunde Literatur abgekauft wird. In Graz sind sie die Herren. Auf Hunderten von Plakaten lacht die Forum-Mannschaft den Grazern ins Gesicht, umkränzt von frischem Lorbeer, dem begehrten Kräutl für die gschmackige Dichtersuppe, die auf jedem Speisezettel der Grazer Restaurants das Menü anführt. Wie eine Dunstglocke brütet der Duft der Dichtersuppen über der Grazerstadt, jahraus, jahrein. Man kennt ihn bereits bis über die Grenzen des Landes hinaus.

Tragen sich mehr als zwei Grazer Dichter mit der Absicht, einen gemeinsamen Spaziergang durch die Innenstadt zu unternehmen, so läßt der Grazer Bürgermeister ohne Umschweife die Amtsgebäude beflaggen. Dann bibbert die Stadt in fiebriger Erregung, die Fenster werden aufgerissen, und schon erscheinen fähnchenschwingende Kleinkinder, Väter mit Ferngläsern, Mütter fuchteln mit den Büchern der Autoren durch die Luft. Beim Anblick der ersten Persönlichkeit werden die Lautsprecher der Grammofone auf volle Lautstärke eingestellt: der Einzug der Gladiatoren schallt bis hinauf zum Schloßberg. Dann kommen sie: in maßgeschneiderten Steireranzügen, grüne oder rote Lampassen an den Hosen (je nach Rang), rosarote Krawatten an der Brust, ziehen sie durch die Herrengasse (die nach ihnen benannt wurde) und winken ihren tausenden Lesern gönnerisch zu, lüften manchmal freundlich den Hut oder erscheinen auf den festlich geschmückten Balkonen, um sich huldigen zu lassen. Mit Ausnahme des Linkshänders Kolleritsch halten sie ständig einen großen schwarzen Filzstift in der rechten Hand - eine nette Geste gegenüber der autogrammhungrigen Jugend, die ihre Idole auf Schritt und Tritt begleitet und gar manchen Händedruck erhascht. (S. 39f.)

© 2001, Droschl Verlag, Graz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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