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Anton Badinger: Zwei unter einem Schirm.

Roman.
Wien: Deuticke 2018.
480 S., flexibler Einband, Euro 18,50 (A).
ISBN 978-3-552-06376-1.

Autor

Leseprobe

Anton Badinger, Gewinner des Ö1 Literaturpreises 2017, erzählt in seinem Romandebüt Zwei unter einem Schirm vom Culture Clash europäischer und islamischer Lebensentwürfe, dargestellt an den sich kreuzenden Schicksalen von zwei jungen Frauen, der Österreicherin Lotta und der Türkin Gülcan. Diesem hochbrisanten Thema nähert sich Badinger allerdings auf eine angenehm unideologische Weise und mit einer feinen Portion Ironie. So entspricht die Figur der Lotta keineswegs gängigen Gutmenschenvorstellungen aus der Willkommenskultur, vielmehr sorgt sie mit zuweilen politisch nicht ganz korrekten Äußerungen für amüsante Lektüremomente: Beispielsweise wenn sie konstatiert, dass ein Unterscheidungsmerkmal verschleierter Frauen wohl ihre "verschiedenfärbige[n] Guccitäschchen" (57) seien, sie eine Klezmer-Band konsequent und entgegen der Hinweise ihrer Gesprächspartner als "Zigeunermusik" bezeichnet oder sich über die vielen Umlaute im Türkischen mokiert. Und trotz ihrer extremen – streckenweise schon anstrengenden – Konsum- und Vergnügungssucht, die kein noch so oberflächliches Klischee aus der Film- und Fernsehwelt auslässt, hat sie ihr Herz am rechten Fleck.
Aus ihrem ereignislosen (Liebes-)Leben und ihrer langweiligen Büroexistenz als Buchhalterin kann sie zunächst nur in (Tag-)Träume entfliehen, doch dann macht ein Lottogewinn plötzlich alles möglich: Das Rendezvous mit dem seit langem heimlich angehimmelten Trafikanten Konrad ebenso wie ein E-Mail mit eindeutiger Botschaft an die Geschäftsführung ihres Arbeitgebers. Des ungeliebten Brotjobs vorläufig entledigt, stürzt sich Lotta mit viel Geld und Verve in den Erwerb zahlreicher Luxusgüter, an deren Anfang die It-Bag mit dem absurden Namen Shopping City Calf Lux Caramel steht und deren Höhepunkt eine renovierungsbedürftige Villa mit Park ist. Bei der Sanierung und Einrichtung dieses hochpreisigen "Liebhaberstücks" blutet Lotta nicht nur finanziell aus. Auch emotionell wird sie zur Ader gelassen, sowohl von ihrem Makler, der die aus professionellen Gründen begonnene Affäre mit der zahlungskräftigen Kundin nach erfolgreichem Kaufabschluss kurzerhand wieder beendet, wie von ihrer früheren Arbeitskollegin und nunmehr "besten Freundin" Patricia, die für die Einrichtung der Villa nicht nur einen völlig überteuerten Innenarchitekten an Land zieht, sondern bei der Gelegenheit auch gleich in die eigene Tasche wirtschaftet.
Zum Showdown kommt es – man ahnt es schon – bei Lottas als glanzvolle Soiree geplanter House-warming- und Geburtstagsparty. Hier fallen nicht nur die Verstärker der angesagten Klezmer-Band aus, sondern auch sämtliche als Ehrengäste geladenen Society-Promis. Nach einem Handgemenge mit Patricia – der "Zickenkrieg" wird von der sensationsgierigen Regenbogenpresse ausgeschlachtet – flüchtet sich Lotta in die eigens für den Abend angemietete Limousine.
Auf ihrer ziellosen Fahrt durch die nächtliche Stadt begegnet sie der ebenfalls herumirrenden Gülcan und nimmt sie bei sich zu Hause auf. Hier macht sich Gülcan, die soeben ihr unglückliches Dasein als Ehefrau und Hendlbraterin im familieneigenen Schnellimbiss "Adem Süper Chicken" hinter sich gelassen hat, bald unentbehrlich: Lotta schätzt sie nicht nur als geschickte Haushälterin und begnadete Köchin, sondern auch als verständnisvolle Freundin und interessante Diskussionspartnerin. Dies tut allerdings auch der von Lotta nach wie vor umschwärmte Konrad, dessen Einsatz im letzten Romandrittel für weitere Spannungsmomente zwischenmenschlicher und finanztechnischer Natur sorgt.
So vorhersehbar und klischeehaft Badinger Handlungselemente und Figurenzeichnungen – vor allem in den Lotta-Passagen – anlegt, kann man sich seinem Erzählfluss jedoch kaum entziehen. Allzu packend und humorvoll schildert er die Träume und deren Zerplatzen aus der Perspektive seiner so kontroversiellen Romanfiguren. Besonders gelungen ist hier Gülcan, deren Balancieren auf der Grenze zwischen türkisch-islamischer und österreichisch-europäischer Kultur vielschichtig und überzeugend dargestellt wird. Ihre Nöte und Ängste als fügsame (Schwieger-)Tochter und Ehefrau kann man ebenso gut nachvollziehen wie ihre Befreiungsversuche aus diesen Rollenzuschreibungen, aber auch ihr unbedingtes Festhalten an religiösen Vorschriften und Traditionen, die sie als positive und vor allem genussvolle Erfahrungen zelebriert.
Neben einem unterhaltsamen und tiefsinnigen Roman über die vielen Facetten des Glücks hat Badinger auch einen klugen Beitrag zu aktuellen Debatten rund um das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen geschrieben.

Veronika Hofeneder
19. September 2018

Originalbeitrag.
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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