Neunzehnhundertdreißig übersiedelten wir von Treibach-Althofen nach Welzenegg bei Klagenfurt, damals noch im Gebiet der Gemeinde St. Peter. Auf der Nordseite eines Waldes, der von Schloß Welzenegg bis zur Pischeldorferstraße reichte und das "Welzenegger Schachtel" hieß, wurde Ackerboden zu Baugrund parzelliert; und alsbald siedelten dort, in meist selbstverfertigten Häusern und Hütten, arme Leute, zu denen auch wir zählten. Wir lebten dort übrigens zum ersten und zum letztenmal unter Slowenen. In den ersten Jahren hörten wir in unserer Umgebung mehr "Windisch" als Deutsch. Für diejenigen, die es noch nicht wissen, sei hier bemerkt, daß Windisch und Slowenisch dasselbe sind. Seit aber der ins Hitlertum gemündete politische Germanismus versucht hat, durch seine Deutung des Worts das Slowenentum politisch zu spalten, wollen die Slowenen die Bezeichnung "Windisch" nicht mehr dulden. (S. 12)
Ein Dichter aus Tirol, der mit seinen dramatischen Appellen für das Lebensrecht der Armen, der "Zukurzgekommenen", großen Erfolg gehabt hat und heute in Irland lebt, hat einem Frager geantwortet: Er wolle Kranewitter inszenieren, und zwar "ganz brechtisch". Das war wohl nicht bedacht, aber doch ganz knechtisch, automatisch dem Zeitgeist, der Mode unterworfen. Aber der Frager auch, sonst hätte er den blindlings reagierenden Dichter auch gefragt: Warum und mit welchem Recht wollen Sie Kranewitter nicht authentisch, sondern "ganz brechtisch" spielen? Und er hätte die Frage auf den Punkt gebracht: Ich dachte, Sie sind ein Dichter des Mitleids, der Sozialen Misere, des Naturrechts und des Menschenrechts. Jetzt sehe ich einen Speichellecker der Mächtigen und der Mode vor mir. Sie schlachten ein Menschopfer und zerstören das Eigentum eines Toten. Sie ziehen Kranewitter die Haut ab und werfen ihn dem Götzen der kritischen, dialektisch verzauberten Erfolgsanbeter in den Schlund.
1998
(S. 60)
© 1999, Aachen, Rimbaud.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.