(S. 110f.)
"Auch ihre Eltern hatte Gisi vor vollendete Tatsachen gestellt. Helga war unheimlich zumute, als sie erfuhr: Wir haben beschlossen, zu den Montoneros zu gehen. Kein wirklich energisches Bemühen, sie zurückzuhalten, noch heute fragt Helga sich, ob sie nicht doch hätten versuchen sollen, den Willen ihrer Tochter zu brechen. Aber wie denn, wenn sie selber ihr beigebracht hatten, den Willen anderer zu respektieren. Helga sagt, sie habe sich die ganze Zeit über auch irgendwie gelähmt gefühlt.
Abgesehen von der Illusion, die Bevölkerung sei den Montoneros gegenüber mehrheitlich positiv eingestellt, schreckte sie, was Nacho la precondición de matar nennt und sowohl ihn als auch Mili veranlaßt hat, Gisis Beispiel nicht zu folgen: die Bereitschaft, zu töten. Willi war strikt gegen physische Gewalt gewesen, hatte Waffenbesitz und Waffenerwerb geächtet, es stets abgelehnt, eine Pistole oder ein Gewehr auch nur in die Hand zu nehmen, seine Kinder nie geschlagen, ihnen vorgelebt, daß es möglich ist, Widersachern, widrigen Verhältnissen allein mit Ideen und Worten beizukommen. Gisi verwies auf die Brutalität der Sicherheitskräfte; ihren Einwand, sie müßten sich wehren, um von diesen nicht binnen kurzem ausgerottet zu werden, vermochte er nicht zu entkräften. Es gab keine Stelle mehr, an die man sich wenden konnte, wenn einem Unrecht oder Leid zugefügt oder mitgeteilt wurde. Es ging nur noch um Leben und Tod. Und um ein hehres Ziel."
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