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Leseprobe: Klaus Hirtner - "Der Geräuschalchimist."

Wir fuhren zu fünft. Der Schlepper am Steuer und vier Geschleppte. Nicht im schäbigen Bus, sondern im Mercedes. Das macht Eindruck, auch wenn es ein falscher ist. Vor teuren Autos haben alle Respekt. An der Grenze blieb der Mercedes stehen, wir stiegen aus, gingen zu Fuß hinüber und nahmen Platz im Gasthaus auf der österreichischen Seite. Der Schlepper wartete eine Viertelstunde lang zu, um sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen, falls etwas schief ging. Er kam nach im Schrittempo, ließ uns wieder einsteigen und brachte uns direkt vor die Haustür, vors Flüchtlingslager.
Es war wie Spazierengehen, sogar ein Lied hatten wir gesungen, damit wir unsere Angst nicht schlagen hörten. Auf die Frage, über welches Land ich nach Österreich gekommen sei, gab ich keine Antwort. Sie hätten mich abgeschoben.
Du willst Asyl, und sie schicken dich wieder zurück. Woher soll ich kommen? Von oben, von unten? Aus der Erde, vom Himmel?
Ich schrieb ihnen die Namen auf einen Zettel. Gherla und Julava und Aiud. Erst als der Dolmetsch da war, begriffen sie, daß das plitische Gefängnisse waren. Ich muß heute noch lachen, aber sie verlangten tatsächlich eine Haftbestätigung. Ludwig hatte Pech, er war leider nicht im Gefängnis.
Jeder, der reinkommt, erhält zunächst einen Laufzettel. Warum das Stück Papier diesen Namen trägt, ist mir ein Rätsel. Mit dem Laufzettel läuft in Wirklichkeit kein einziger Mensch. Sowas ist Irreführung durch die Behörden, bedeutet nichts anderes als die Übertragung unseres Kulturguts "Schlangestehen" auf westliches Gebiet. Stempel sammeln ist angesagt.
Überall, wo Stempel gesammelt werden, geht es zu wie vor einem Kaufhaus mit Lebensmittelknappheit.
Du wirst durchgecheckt. Mit dem Fingerabdruck auf eventuelle Straffälligkeit, mit dem Röntgen auf eventuelle Tbc.
Du gibst den Laufzettel ab und erhältst eine Lagerkarte. Ist sie rot umrandet, bleibst du im Lager. Ist sie weiß umrandet, wirst du aus dem Lager ausgelagert in eine Pension. Davor haben alle Angst, zuviele Berge, zuviel Wald, keine Arbeit. (S. 16f.)

© 1999, Löcker, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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