"Bitte zieh deine hübschen Stiefeletten an", bat er sie leise und reichte ihr die grasgrünen Gallianos.
Er muss sie aus dem Stiegenhaus geholt und unter dem Bett versteckt haben, als ich auf dem Klo war, dachte sie empört, sprang auf und versuchte, ihm ihre Schuhe aus der Hand zu schlagen. Der eine flog in hohem Bogen aufs Bett. Den anderen umklammerte er wie ein Äffchen.
Ihr Entsetzen schien er nicht wahrzunehmen. Verliebt starrte er weiterhin auf den Schuh und legte sich mit ihm aufs Bett. Seine Lippen schlossen sich um den stark verschmutzten Absatz. Genüsslich leckte er den Dreck der Stadt ab.
Show worshipping nennt man das, dachte sie. Und ihr wurde speiübel. Am liebsten wäre sie wieder auf die Toilette geflüchtet. Sie blieb jedoch wie angewurzelt neben dem Bett stehen.
Er schien inzwischen jedes Interesse an ihrem Körper, ja sogar an ihren Füßen verloren zu haben. Versonnen streichelte er den Schaft ihrer Stiefelette und bedeckte ihn mit leidenschaftlichen Küssen. Angeekelt sah sie zu, wie seine Zunge über die Spitze dieses John Galliano-Kunstwerks glitt, sie liebevoll umkreiste.
Sie versuchte noch einmal, ihm ihre Stiefelette zu entreißen. Wie zwei spielende Hunde zerrten sie beide an dem empfindlichen Leder.
Wenn die ganze Situation nicht so entwürdigend gewesen wäre, hätte sie sicher zu lachen begonnen. Momentan war ihr eher zum Heulen zumute.
"Du perverser Spinner", fauchte sie und überließ ihm das begehrte Objekt.
Mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen nuckelte er an der Schuhspitze wie ein Baby an einem Schnuller. Der Speichel sammelte sich in seinen Mundwinkeln, tropfte auf den Schuh, hinterließ dunkle Flecken auf dem zarten Rauleder.
Sie konnte den Anblick des saugenden und sabbernden Mannes nicht länger ertragen. Empfand seine so ungeniert vor ihren Augen ausgelebte Lust als persönliche Beleidigung. Während sie überlegte, ob sie barfuß die Wohnung verlassen oder sich einfach ein Traumpaar von Gucci oder Dolce&Gabbana aus seinem Schrank nehmen sollte, begann er heftig zu husten.
Die Stiefelette rutschte aus seinem Mund. Rasch schnappte sie danach. Sobald sie dieses schlappe feuchte Ding in der Hand hielt, wurde ihr bewusst, dass sie es nie mehr würde anziehen können, dass sie überhaupt keinen Schuh mehr tragen könnte, den er berührt hatte. Und plötzlich empfand sie so etwas Ähnliches wie Mitleid mit diesem armen Schwein. Sein hilfloses Stöhnen, das eher einem Grunzen glich, klang unerträglich.
Sie erbarmte sich seiner. Steckte ihm die halbe Schuhspitze in den Mund.
Er verschluckte sich. Versuchte zu spucken. Doch sie trieb ihr schmales elegantes Stiefelchen immer weiter und weiter in seinen Rachen.
Offensichtlich hielt er es für ein erotisches Spiel. Er wehrte sich nicht. Im Gegenteil, er streckte seine Arme links und rechts von sich aus und deutete ihr mit begeisterten Blicken weiterzumachen. Seine langen Haare hingen ihm ins Gesicht. Seinen Lippen entwich ein flehender Seufzer.
Sie ließ sich nicht ein zweites Mal bitten. Stopfte den Rest des weichen biegsamen Schuhs in den weit geöffneten Mund dieses perversen Germanistikprofessors.
Er schlug mit den Armen wild um sich. Traf mehrmals ihr Gesicht. Seine Beine begannen zu zucken, und sein Unterleib bäumte sich mehrmals auf, bevor er erschlaffte, völlig in sich zusammensackte.
Als sie ihre beschmutzte grasgrüne Galliano-Stiefelette wieder an sich nahm, machte er keinen Atemzug mehr. (S. 50f)
© 2008 Milena Verlag, Wien.