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Felix Mitterer: Johanna oder die Erfindung der Nation.

Theaterstück mit einem Nachwort von Sylvia Tschörner.
Innsbruck: Haymon, 2002.
93 S., EUR/A 14,40.

Link zur Leseprobe

Felix Mitterer ist der Anwalt unter den Schriftstellern. Er verteidigt die Schwachen. Und als Verteidiger sucht er sich ausgerechnet die aussichtslosesten Fälle aus, jene, bei denen die anderen schon längst die Handtücher geworfen haben. Mitterer aber lässt sich, fast möchte man sagen, wie aus religiöser Berufung, nicht entmutigen. Unermüdlich kämpft er für all jene, die, oft sogar schon von sich selbst, aufgegeben wurden. Seine Stücke sind moderne Passionsgeschichten. Daß er nicht schon früher auf den Stoff der heiligen Johanna gestoßen ist, verwundert fast: Ein 17jähriges Bauernmädchen aus Frankreich, das die Stimme Gottes zu hören meint, in den Krieg gegen die Engländer zieht, vom Volk als Heilige verehrt, von den Herrschern ausgenutzt und letztendlich am Scheiterhaufen verbrannt wird. Ein Schicksal, wie gemacht für Mitterer: Erhöht und erniedrigt, hoch gehoben, tief fallengelassen, eine, die ganz allein steht und doch unbeirrbar bleibt.

Entstanden ist "Johanna oder die Erfindung der Nation" als Auftragsarbeit des Salzburger Landestheaters, wo es auch am 12. Jänner 2002 uraufgeführt wurde. Intendant Lutz Hochstraate wollte ein neues Stück von Mitterer, der sich den Johanna-Stoff ausgesucht hat. Wenn man Jeanne d'Arc macht, braucht man aber einen guten Grund (außer man ist Hollywood und meint, es genügt eine attraktive Hauptdarstellerin). Von Schiller über Shaw, Brecht und Anouilh, viele haben sich an dem Stoff versucht (im Nachwort geht Sylvia Tschörner überblicksmäßig auf verschiedenste Bearbeitungen ein). Welchen neuen Dreh findet Mitterer für den historischen Stoff aus dem 15. Jahrhundert? Schauen wir in die Regieanweisung. Dort heißt es zu Beginn: "2 Damen und 7 Herren spielen 24 Rollen", weiters: "Das Stück spielt 1429-1431, heute und morgen". Doppelbesetzung heißt im Theater nicht nur Sparmaßnahme, sondern hat auch den psychologischen Aspekt, dass verschiedene Figuren mitunter wie die Abspaltung einer Figur wirken. "Johanna" ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein Psychodrama. Nicht nur landet Johanna am Ende, als sie in der Politik nicht mehr gebraucht wird, in der Psychiatrie. Ihr Fremdenhaß beruht auf einem Trauma. Am Rummelplatz wirft sich ein "Junger Fremder" über sie und "tut ihr Gewalt an", wie es dezent und vieldeutig im Text heißt. Der junge Fremde ist Gilles de Rais, der sich später als knabentötender Massenmörder herausstellen wird (die 170 Toten widmet er der verehrten knabenhaften Jeanne). Er ist es auch, der Johanna als Fernsehkoch via TV die "heilige" Erweckungsbotschaft zu kommen lässt und ihr am Ende als Arzt die Spritzen verpasst. Er ist ihr Täter, ihr Symptom, vielleicht aber auch eine Art abgespaltener Teil von Johanna, ein Zwillingsbruder (Rais sagt: "das Heilige und das Teuflische sind eins"). Das Stück lässt viele Deutungen zu.

In seiner politischen Zielrichtung prangert das Stück das "Geschwür" des Nationalismus an. Johanna, das ist die Geburt eines nationalistischen Gefühls, zu einer Zeit als es diesen Begriff im eigentlichen Sinne gab. Die Brücken zum Populismus von heute schlägt Mitterer in Szenen, die im Fernsehstudio spielen, wo Wörter wie "Umvolkung" fallen und der nationale Schulterschluß gefordert wird, oder in der U-Bahn, wo tote Ausländer mit Klebebändern um den Mund liegen. Die Botschaft will überzeitlich sein. Ob das Nebeneinander von mittelalterlichem Kostüm und neuer Motorrad-Lederkluft, mit der Johanna in den Krieg zieht, nicht einfach nur unfreiwillig komisch ist, das wird sich auf der Bühne entscheiden. Mitterer möchte viel - mal sehen, was die Regisseure wollen und können.

 

Karin Cerny
16. Jänner 2002

Originalbeitrag

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