Chef rückt an seiner Krawatte. "Reißverschlüsse einnähen also", sagt er wieder. Diese Fähigkeit gibt ihm ziemlich zu denken.
"Und das können Sie aber nur mit der Maschine?"
"Nein, nein, das kann ich mit der Hand schon auch. Da bin ich recht geschickt."
"Also gut, lassen wir es auf einen Versuch ankommen. Würden Sie mir bitte folgen?"
Ich stehe auf, zupfe den Rock zurecht, kippe, als wir im Vorzimmer an der Sekretärin vorbeikommen, fast aus den ungewohnten Stöckelschuhen, der Lift ist eingerichtet mit Teppichboden, Spiegel und Aschenbecher, leise singt Frank Sinatra von oben herab, das Blinklicht kennzeichnet das oberste Stockwerk, lautlos gleitet die Schiebetür zu, ein leichtes Rumpeln im Rücken, der Lift fährt nach unten. Chefs Hand liegt wie ein lockerer Gürtel um meine Taille, als er mich in ein Zimmer schiebt. Dann drückt er mich in einen kaltglänzenden Fauteuil und lässt mich ungefähr eine Viertelstunde allein hier sitzen. Was solls - ist ja bezahlte Dienstzeit. Chef kommt zurück mit Nadel, Faden und einer Schere. Die Probezeit mit sofortigem Kündigungsrecht beginnt. Ich werde mein Bestes geben. Es ist immer gut, wenn ein Mädchen Reißverschlüsse einnähen kann, Kind, du wirst schon sehen. Chef behält die Hose an, und ich fuhrwerke mit der Schere an seinem Schlitz herum. Es wird Zeit, dass der Reißverschluss herauskommt. Später wird er wieder fachgerecht eingesetzt. Chef stöhnt ein bisschen, weil es ein Risiko ist, eine wildfremde Frau mit einer Schere am Türchen zu seinem Allerheiligsten nesteln zu lassen. Wahrscheinlich überlegt er, ob es sich das in seiner Position leisten kann oder nicht. Jedenfalls bricht er die Aktion nicht ab, sondern hält brav still und streicht nur ab und zu durch meine Haare. Meine Beine schmerzen, ich streife die Schuhe mit den hohen Stöckeln ab, beim Knien nützt das nicht viel, aber eine gewisse Erleichterung bringt es doch. Die Schere ist ein Monstrum und wenig geeignet für die zarten Fäden der Anzughose. Wenn ich abschlüpfe, zuckt Chef zusammen und zieht ein langanhaltendes Seufzen in sich hinein.
(S. 40/41)
© 2003, Skarabaeus, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.