"Hast du ernsthaft vor, hier eine Zielscheibe abzugeben?"
"Ich versteh' euch alle nicht. Wo, bitte, soll es sicherer sein als hier. Die Katholiken werden sich kaum selbst in die Luft jagen, und die Protestanten trauen sich am hellichten Tag wohl auch nicht in die Höhle des Löwen. Solange also kein Militär oder eine Streife auftaucht, ist alles easy, oder?"
"Die Logik hat etwas für sich. Ich komme mit."
Während der Taxifahrer zusah, daß er Land gewann, stolzierte Drake die heruntergekommene Straße abwärts, sich daran weidend, daß Eileen ihn halb bewundernd, halb verängstigt musterte. Zielstrebig schritt Drake auf den nächsten Passanten zu. "Hätten Sie Zeit für ein kurzes Intervi..."
"Verpiß dich, Bleistiftschwinger." "Ah, sehr angenehm, irische Gastlichkeit, nehme ich an." "Soll ich dir die Fresse polieren, Mann?" "Ich verstehe, Sie kommen wohl aus Vulgarien?"
Eileen ging dazwischen und versuchte, den aufgebrachten Typen zu beruhigen. "Der Mister hier kommt vom Kontinent, kein Grund, sich seinetwegen zu erregen." Doch der Junge hatte sich schon in Fahrt geredet. "Misch dich nicht ein, Lady, das bekommt dir nicht." Ansatzlos knallte Eileen dem Burschen ihr Knie ins Gemächt. Dieser ging stöhnend zu Boden. "Und das bekommt dir nicht, Kleiner."
Drake nickte anerkennend: "Sehr effizient. Aber ich fürchte, wir müssen uns nun um einen anderen Interviewpartner umsehen."
"Ja, und vor allem ein paar Blocks weiter. Hier, glaube ich, wird man uns schwerlich allzu sehr entgegenkommen."
"Wahr gesprochen."
"Klar doch, denn wenn nichts Unwahres in meiner Rede war, so habe ich kein einziges Wort der Lüge gesprochen, sondern vielmehr die Wahrheit selbst."
"Häh?"
"Ach, bloß ein Zitat von Flann O'Brien. Ein Typ, von dem man sagt, so hätte James Joyce geschrieben, wenn er nicht verrückt gewesen wäre."
(S. 62f.)
Drake fand diesen Steve allmählich immer widerlicher. Was mußte sich dieser Tölpel auch noch so selbstherrlich aufführen? Aber gut, er hatte wohl auch allen Grund dazu. Nach einer gemeinsamen Action mit Eileen wäre er, Drake, wohl noch viel mehr aus dem Häuschen. Aber, so spann Drake seine Gedanken weiter, lag es gerade daran, daß er Steve mit immer steigenderer Animosität betrachtete? Klar, er hatte, was Drake wieder einmal nicht hatte. Und warum ging er wieder einmal leer aus? Warum wiederholte sich die ewig gleiche Tragikomödie seines Lebens ein ums andere Mal? Warum kam er bei Frauen einfach nicht an? Warum alterte er? Warum gingen die schönen Dinge des Lebens spurlos an ihm vorüber? Und warum war sein Bier schon wieder leer?
(S. 82)
© 2000, Wieser, Klagenfurt, Wien, Ljubljana, Sarajewo.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.