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Leseprobe: Thomas Raab - "Der Metzger muss nachsitzen."

[...] Der Metzger umfasst den Holzgriff fest mit seinen großen Händen, so als würde er ihn zerquetschen wollen, und betritt die Schule. Innen alles neu renoviert, im Grunde eine helle Freude für einen Restaurator, rechts das Glasfenster zur Schulwartloge, im Augenblick leer, in der Mitte des Stiegenaufganges ein neuer Aufzug, eine Glas-Alu-Konstruktion, die sich wahrscheinlich laut Architekt in das Gebäude einschmiegen soll, um Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden. Da wird dann dem Metzger immer ganz übel, wenn Architekten laut philosophierend etwas verbinden und dadurch auslösen, dass der Betrachter im Augenblick des Betrachtens hauptsächlich an das Verbinden der eigenen Augen denkt.
[...] Wie der Metzger also auf den Aufzug zusteuert, um an der Anzeige zu ersehen, wo er die Direktion finden könnte, wird er enttäuscht. Neben dem Lift steht: "Liftbenutzung ausschließlich für das Lehrpersonal und die Hausangestellten!"
Gut, dann geh ich, denkt sich der Metzger.
Im ersten Stock steht endlich unübersehbar der Hinweis: Zur Direktion.
Aus den Klassen sind dumpf Stimmen zu hören, und zwar deutlich mehr als zu Metzgers Zeiten. Am Gang ist es wie ausgestorben. Wie der Metzger aber durch die offene Schwingtür Richtung Direktion marschiert, überkommt ihn das Gefühl, er wäre Besucher in einem Museum für Antiquitäten. Der Gang ist gesäumt von alten Kästen, einem Perserläufer und einigen Jagdtrophäen. Da müssten eigentlich auch Schülerköpfe hängen, grübelt der Metzger in Gedanken an manche seiner Lehrer.
Die Tür zur Direktion lässt bei näherer Betrachtung erkennen, dass sie nicht als Eingang gedacht ist, denn die Türschnalle fehlt. Ein dicker Pfeil leitet den Besucher weiter zur Administration und zum Sekretariat. Klar, kein Chef ist direkt erreichbar, da muss man schon mit gewisser rhetorischer Kunstfertigkeit an der Sekretärin vorbei. Da sitzen die großen Bosse also in ihren immer faltenfreien Anzügen auf ihren Lederrollsesseln, mit dem Gefühl alles im Griff zu haben, während draußen vor ihrer doppelflügeligen Tür unauffällig eine Frau das Kommando hat. Die Vorselektion all jener, die überhaupt bis in die Chefetage vordringen dürfen, beginnt also durch das Auswahlverfahren der Sekretärin, einer Frau. Sie liefert dem Chef eine spärliche Anzahl Privilegierter und vermittelt ihm dennoch zugleich das Gefühl, er entscheidet alles selbst - so funktioniert Demokratie!
Und ohne Termin gibt es Demokratie ja schon überhaupt nicht. Die Chancen, bis zum Direktor vordringen zu können, so ohne Termin und triftigen Grund, erscheinen dem Metzger plötzlich gleich Null.
Frechheit siegt, denkt er sich und öffnet die Tür.[...]

© 2007 Leykam, Graz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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