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Leseprobe: Hilde Schmölzer - "Das Vaterhaus."

Aber der Vater hat auch noch andere überzeugende Beispiele bereit. Stalin, meint er bei anderer Gelegenheit in etwas größerem Familienkreis, Stalin ließ mindestens genauso viele Menschen töten wie Hitler, aber das werde niemals thematisiert, ruft der Vater herausfordernd in die ergeben lauschende Runde, in der zwar lediglich die zwei Schwestern des Vaters bestätigend Jaja murmelnd mit ihren Köpfen nicken, aber auch niemand eine Gegenstimme erhebt.
Nur Eva, die Muttertochter, aufsässig, widerspenstig und schwer zu behandeln, bildet einen Störfaktor in diesem Familienidyll. Ihre Kritik am Vater und am Vaterhaus ist ein Sakrileg und ketzerisch, Die Muttertochter stellt das Vaterhaus in Frage, sie hält sich nicht an seine Regeln und respektiert nicht, was unten und was oben ist. Aber das Vaterhaus besitzt gut funktionierende Schutzvorrichtungen, denn selbstverständlich wird es sich von ihr, der Muttertochter, nie in Frage stellen lassen. Gleich wird sie als unzurechnungsfähig erklärt und daher nicht als ernst zu nehmen. Der Vater lacht ungläubig und ratlos, offen und entblößt stehen die Zähne in seinem Gesicht, gelbe, lange, einst durch Krieg und Kriegsgefangenschaft löchrig gewordene, inzwischen aber wiederhergestellte Zähne, und das, so weiß Eva inzwischen, verheißt nichts Gutes. Alle anderen schütteln ihre Köpfe über das fehlgeleitete Kind einer fehlgeleiteten Mutter, mit dem es kein gutes Ende nehmen kann. Allmählich mischt sich auch in das Lachen des Vaters Besorgnis. Eva muss verrückt geworden sein, sie bedarf so wie die Mutter der psychiatrischen Behandlung, muss doch ihre völlig aus den Fugen geratene Psyche wieder in den Normalzustand zurückgebracht werden.
Nicht immer allerdings hat sich der Vater trotz steigender Besorgnis unter Kontrolle, manchmal rutscht ihm die Hand aus und trifft Eva mitten ins Gesicht, was die Achtzehnjährig mit Genugtuung erfüllt über die Wut des Vaters, dessen Schläge leichter zu ertragen sind als sein Lachen.
Einmal flüchtet Eva vor den gewalttätigen Händen des Vaters und vor seinem Lachen zur fröhlichen und allseits beliebten Tante Mia, die sie erschrocken und unbeholfen in ihre Arme nimmt. Aber Eva, sagt Tante Mia, Evas Aufforderung zur Beistandsleistung hilflos abwehrend, aber Eva, sagt die ob dieses an sie herangetragenen Anspruchs verwirrte und erschrockene Tante, das, bitte, kannst du nicht von mir verlangen, denn dein Vater, Eva, ist doch, versteh das bitte, er ist mein Bruder.
Eva gelingt es nicht, diese Tatsache als Grund für eine Beistandsverweigerung zu akzeptieren, was sie neuerlich für das Vaterhaus untauglich macht.
Einmal streicht die Großmutter mütterlicherseits über Evas Haar und sagt: Arm's Kind. Das wird ihr Eva nie vergessen.
Dann verlässt sie das Vaterhaus.

© Kitab Verlag, Klagenfurt/Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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