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Leseprobe: Andrea Stift - "Reben."

(S. 37 ff)

Nichts davon ist neu oder aufregend. Wer hat nicht schon alles über Ur- Groß- oder Mutter geschrieben, was für eine ärmliche oder auch nicht so ärmliche Existenz sie führten, wie sie entweder ein reiches, aber deprimierendes Leben führten oder ein arbeitsreiches und trotz aller Ärmlichkeiten glückliches. Es hat in all diesen Fällen auch immer einen ganz tollen Ur- Groß- oder Vater gegeben, dem sie den jeweiligen Rücken stärken durften, und der war als Gegenleistung wie gesagt ganz toll.

Bei Anna war es anders. Anna war selbst toll und nebenbei hat sie vermutlich dem Urgroßvater den Rücken gestärkt, das will ich ihr gar nicht absprechen. Nur: viel mehr weiß ich von ihr als von ihm. Post mortem gravierte sie sich in meinen Charakter. Was von meinem Urgroßvater blieb, ist eine Inschrift am Eingang eines Dorffriedhofes, die mich nur zäh beeindruckt, wenn überhaupt, denn sie ist kaum mehr entzifferbar. Vielleicht ist an dieser Stelle nun erstmal jemand beleidigt.

Und es gibt sie, die wirklich fremdartigen Schattierungen im Bild meiner Urgroßmutter, es gibt sie, die Dinge, die sie einzigartig und zu etwas besonderem machten; nicht zu einem Menschen, der gut war und voll überquellender Menschlichkeit, aber stark und strotzend von einem gewissen Etwas, das sie es schaffen ließ, durchs Leben zu gehen, ihr Leben fertigzuleben, auch als drei Söhne schon tot waren. Denn das ist genau das, was wir wissen wollen, wie man mit der Trauer lebt, ohne Depressionen und Selbstmordversuche, wie man trotzdem die Tage zu einem Ende bringt und nicht darauf verzichten will, mit einem Handkuss begrüßt zu werden.

Anna war eine beeindruckende Person, und keiner wusste genau zu sagen, woran das lag. Sie war klein und stämmig und hatte angeblich den Teufel oder etwas Ähnliches im Leib. Sie war energisch und ließ sich von niemandem etwas sagen. In ihrem Wirkungsfeld geschah genau das, was sie sich vorgenommen hatte.
Ja was denn! Es wird ja wohl noch so sein, wie ich es sage!
Ausnahmen ließ sie nicht zu, denn es bestand die Gefahr, dass sie die Regel nicht bestätigt hätten, sondern zur Regel werden würden.
Wenn ein Außenstehender nach einer Kurzcharakteristik fragt, gibt es eine einzige Geschichte, die ihm erzählt wird und die ausreicht, sich ein Bild zu machen.
Laut dieser Geschichte baute sie sich mitsamt ihrer Ausstrahlung vor einem Arbeiter, einem Winzer wohl, auf, der Mist gebaut hatte, und watschte ihn, gut südsteirisch gesagt, ab. Woraufhin sich der Arbeiter bei ihr bedankte.

Das ist schnell erzählt und sagt einiges über die Präsenz dieser Frau aus, denn auch zur Jahrhundertwende und knapp danach war es noch eher ungewöhnlich für kleingewachsene Frauen, ihre Arbeiter zu ohrfeigen und dafür gedankt zu bekommen Anna jedoch gelang das. Sie war nicht irgendeine Frau.
Sie war die Gnädige.

© 2007 Kitab Verlag, Klagenfurt-Wien.

 

 

 

 

 


 

 

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