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Heinrich Steinfest - "Nervöse Fische."

Der Mann, der hier das Sagen hatte, blickte hinauf in den Himmel. Eine halbe Minute und mehr betrachtete er die schweren, grauen Wolken, betrachtete die Veränderungen an den Rändern, das Ausstrecken kleiner Arme und Tentakel, die auch gleich wieder verschwanden oder sich abstießen, um für einen Moment ein flüchtiges Eigenleben zu führen.
Mit diesen Wolken war ein kühler Wind gekommen und hatte nach zwei Wochen Hitze und Schwüle der Stadt eine Erleichterung beschert, als wäre einem Atemlosen ein Sauerstoffgerät übergestülpt worden. Es war ein Heer von Wiederbelebten, das an diesem Morgen zu den Arbeitsplätzen strebte. Ein ungeheurer Fleiß, ein großer Schwung in einem jeden Tun und Handeln würde an diesem Tag zu verzeichnen sein. Und würde solcherart diesen heißen Juli in ein Davor und ein Danach spalten. Denn bereits am nächsten Tag sollte sich einen weitere Hitzeperiode ergeben, so daß die Menschen erneut in einen betäubten Zustand verzögerter Bewegung und nur halb gedachter Gedanken verfallen würden. Jetzt aber, an diesem einen Tag, der seinen Sonnenaufgang drei Stunden zuvor erlebt hatte, zog eine klare, belebende Frische in die Hirne der Menschen ein und zwang die meisten von ihnen, ihre Gedanken als einen Schnürschuh zu empfinden, der nur mittels einer gebundenen Schleife auch einen echten Nutzen ergab. Was einmal leichter und einmal schwerer fiel: eine Schleife binden. Letzteres - die Umständlichkeit manch gedanklicher Schnürung - mußte wohl ausnahmslos für jenes gute Dutzend Personen gelten, das sich auf dem Dach einen Wohnhochhauses eingefunden hatte. Die freiliegende Plattform im achtundzwanzigsten Stockwerk wurde von der Vertiefung eines gefüllten Pools beherrscht. Eine gläserne Brüstung grenzte die Längsseiten ab, während die Breiten von den kaffeebraunen Fassaden überstehender Gebäudeteile abgeschirmt wurden. Pool ist ein zu harmloses Wort. Es handelte sich um ein regelrechtes Schwimmbad, das sich in luftiger Höhe über die Fläche erstreckte, von wo man beinah sämtliche Teile der Stadt übersehen konnte.
Der Mann, der hier das Sagen hatte, war aber nicht an der Stadt interessiert, weder am Zentrum, das im Strahl einiger durchbrechender Lichtstrahlen gesegnet anmutete, noch an den Ausläufern im Westen, die an bewaldete Hügel stießen. Vielmehr hatte er seinen Kopf in den Nacken gelegt und sah gerade nach oben. Er genoß die kühle Luft, als gäbe es nichts Schöneres und Besseres auf dieser Welt. Tatsächlich wäre ihm in diesem Moment auch kaum etwas eingefallen, was er dem vorgezogen hätte.
Die anderen freilich gingen davon aus, daß Richard Lukastik schlichtweg nachdachte. Daß seine ganze Haltung einen Ausdruck hochkonzentrierter Grübelei darstellte.
(S. 5f.)

© 2004, Piper Verlag, München - Zürich.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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