Fremdländisch ist nicht gleich fremd, Amerikanisch kein Ausschließungsgrund. Ich bin Amerikanerin und unterrichte hier Deutsch für Flüchtlinge, die das Glück hatten, unbemerkt die Grenze zu passieren. Zwar kamen sie illegal, vielleicht im Kofferraum irgendeines Schleppers, es gelang ihnen aber, eine Polizeistation zu erreichen. Sie wurden nicht vorher aufgegriffen, sondern waren in der Lage, um Asyl zu bitten. Damit haben sie das Recht auf ein Asylverfahren erworben und die Chancen, fair beurteilt zu werden. Wären sie auf dem Weg zur Polizei verhaftet worden, hätte man sie vermutlich abgeschoben.
Kosovo-Albanischen Flüchtlingen gilt jetzt alle Aufmerksamkeit. Ihr Fluchtgrund wird vorausgesetzt. Asylwerber aus Afghanistan, Irak, Iran, Türkei, Nigeria, Sierra Leone, Algerien, Sudan ... aus Kriegsgebieten oder aus Ländern, wo Menschrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, warten vergeblich auf Bevorzugung. Wie absurd. Zuwanderer indes oder diese schlacksigen, hochgewachsenen Weltmenschen Amerikaner, diese Schulenglisch-Erinnerer und Fernweherzeuger, gehören zur nobelsten Kategorie.
Ja, ich höre Hermann tief Luft holen. Was ihm nun niemand mehr zum Frühstück serviert, macht ihm das Leben leichter.
Bruno miaut beim Fenster hinaus. Mit einem Satz springt er auf "Hermanns" Stuhl, der grundlos und konsequent unbenutzt bleibt. Ich lebe um keinen Millimeter breiter als vorher, die Leere ist mit Erinnerung bewohnt und flößt Respekt ein. Sie ist nicht auffüllbar, weil Hermann nicht ersetzbar ist. Niemand ist ersetzbar. Es folgt stets etwas anderes nach, das sich vielleicht vergleichen, nie aber ersetzen läßt. Was ist aus der jüdischen Gemeinschaft, die keine Gemeinschaft werden konnte, in Ciudad Trujillo geworden? Jene jüdischen Familien, die heute dort anzutreffen sind, haben die Herrschaft Generalisimo Rafael Leonidas Trujillos überlebt und zu spät erfahren, daß er sie für seine Zwecke benutzt hatte, um sich reinzuwaschen.
(S. 191f.)
© 2000, Resistenz, Linz.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.