logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

   Netzwerk Literaturhaeuser

   mitSprache

   arte Kulturpartner
   Incentives

   Bindewerk

kopfgrafik mitte

Ingeborg Bachmann: Ein Geschäft mit Träumen / Alles / Probleme Probleme

Sprecher: Hans Eckardt
Sprecherin: Gabriele Lehner
Regie: Hans Eckardt
Spieldauer: 144 Min.
ISBN 3-89614-043-4 (2 Kassetten) / 3-89614-044-2 (2 CDs)
Verlag und Studio für Hörbuch Produktionen, 1999

Ob das eine gute Auswahl ist? Dass es drei "Geschichten" von großer Einfachheit sind, die "jeden betroffen (machen)", wie es am Cover lautet, trifft jedenfalls nur teilweise zu. Schon die Bezeichnung "Geschichte" ist unpräzise. Die drei Erzählungen entstammen drei unterschiedlichen Schreibphasen Bachmanns, und obwohl sie auf den ersten Blick etwas beliebig aneinander gereiht scheinen, legen sie allerdings einen spannenden Zeitschnitt offen und regen zu einem differenzierenden Hören an. Während die Erzählungen "Alles" und"Probleme Probleme" bekanntlich jeweils in sorgfältig zusammengestellten Erzählbänden ("Das dreißigste Jahr", 1961, bzw. "Simultan", 1972) erschienen sind, wurde "Ein Geschäft mit Träumen" erst posthum gedruckt, aber schon 1952 im Nordwestdeutschen Rundfunk, Hannover, gesendet. Der Abstand zwischen den versammelten Erzählungen umfasst also zwanzig Jahre, was schließlich Bachmanns Präsenz in der literarischen Öffentlichkeit zu ihren Lebzeiten umreißt, von der ersten Lesung vor der Gruppe 47 und dem Gedichtband "Die Gestundete Zeit", 1952, bis zu ihrem Tod, 1973.

Als geschickt erweist es sich, die Erzählungen mit dem Titel des frühen Prosastücks "Ein Geschäft mit Träumen" einzufangen bzw. in ein assoziatives Netz zu spannen. Der Titel evoziert die vielleicht naive, aber hübsche Wunschvorstellung eines Greißlerladens für Träume, gegenwärtig jedoch eher die eines Super- oder Megamarkts. Zugleich tritt aber seine Doppelbödigkeit hervor und macht an ein Wirtschaften und Feilschen mit Träumen denken. Unverzüglich denkt man an dunkle Geschäfte oder auch an das Geschäft mit Träumen, wie es die Werbung zu ihrem Prinzip erhoben hat. In dem berühmten Gedicht "Reklame", das 1956, wenige Jahre nach "Ein Geschäft mit Träumen" entstanden war, hatte Bachmann diesen Kontext mit dem Begriff der "Traumwäscherei" festgehalten.

Der Plot dieser frühen Erzählung ist tatsächlich einfach: Der Icherzähler, kurz als gewissenhafter Büroangestellter und biederer Typ eingeführt, gerät eines Abends auf seinem Heimweg in ein Straßengeschäft, das sich als Träumegeschäft herausstellt. Aus Verlegenheit lässt er sich einige Träume eröffnen, was bei völliger Dunkelheit geschieht, denn bei elektrischem Licht verbleichen die Pakete mit ihren "wunderbare[n] Inhalte[n]". Überraschender Weise nimmt er die Träume wie auf sein Leben zugeschnitten wahr. Oder handelt es sich etwa um Träume, die einzig für ihn bestimmt sind? Bevor sich diese Frage noch genauer stellt, bietet der Verkäufer dem Icherzähler seine Träume zum Kauf an. Das Irritierende daran, dass sie nicht gegen Geld zu haben sind: "Träume kosten Zeit, manche sehr viel Zeit." Ohne dass sich der Büroangestellte auf ein solches Geschäft einlässt, entkommt er zwar, doch das Erlebnis verwirrt und erschüttert ihn zutiefst: "Ich fürchtete nichts und niemand mehr gerecht zu werden [...]." Als er Tage - oder sind es Wochen? - später noch einmal das Geschäft aufsuchen möchte, findet er an jener Stelle den Traumladen nicht wieder, er ist verschwunden. Mag man darin eine Kafka-Anspielung vernehmen, so weist Bachmanns Erzählung am Ende doch eine andere Struktur auf. Denn etwas ist mit dem Icherzähler geschehen, was ihn sein Verhältnis zur Welt neu hinterfragen lässt. Der Gesamtcharakter bleibt jedoch stark parabelhaft. Dies unterscheidet die Erzählung formal vielleicht am deutlichsten von den folgenden zwei, die allein durch die vielen Wienbezüge anders wirken. "Alles" und "Probleme Probleme" heben sich auch durch die Verwendung des inneren Monologs von der ersten Erzählung ab. Insbesondere in "Probleme Probleme", bedient sich die Autorin einer komplexen Erzähl- und Montageform, die den Bewusstseinsstrom der Hauptfigur nachzeichnet.

In "Alles" ist die Hauptfigur ein Mann um die dreißig (worauf bereits der Titel des Erzählbandes hinweist). Brechen in der ersten Erzählung die Träume wie durch Zufall und von außen in das Leben des Büroangestellten ein, so ist es hier das Kind, das der Icherzähler und Hanna erwarteten, das eine völlige Veränderung bei ihnen auslöste. Von diesem Zeitpunkt an entstand im Icherzähler eine Hoffnung, ein Lebenstraum, den er mit diesem Kind in Beziehung setzte. Plötzlich nimmt er die Zusammenhänge wahr, in die ihn dieses Leben zwingt, aus denen herauszutreten er für das Kind, nein, in dem Kind, eine Chance sieht. Er setzt nun alles daran, seinem Kind diesen neuen Weg zu eröffnen. "Und ich wußte plötzlich: alles ist eine Frage der Sprache [...]. Alles war eine Frage, ob ich das Kind bewahren konnte vor unserer Sprache, bis es eine neue begründet hatte und eine neue Zeit einleiten konnte."Die Erzählung setzt zu einem Zeitpunkt ein, als der Wunschtraum des Icherzählers, auszutreten "aus dem Geschlecht", bereits in sich zusammen gebrochen war. Hinzu kommt der Tod des Kindes, hinzu kommt, dass sich die Hoffnung, die der Icherzähler in das Kind gesetzt hatte, in Hass umgeschlagen ist, als er feststellte, sein Kind kann den "Teufelskreis" nicht durchbrechen. "Ich ließ es aus meiner Liebe fallen."

Im Unterschied zur parabelhaften Erzählung aus dem Jahr 1952 ist "Alles" eingebettet in eine Reihe von Bezügen: Die Suche nach einer neuen Sprache und einer damit verbundenen neuen Weltordnung ist unmittelbar geknüpft an ihre Beschädigung durch die Barbarei, für die in erster Linie der Zweite Weltkrieg steht. Eine Beschädigung, die in die Nachkriegszeit hineinwirkt, desgleichen in die Beziehungen zwischen den Menschen. Der Wunschtraum des Icherzählers, seine Beziehung zu seinem Kind, ist zugleich überlagert von der Entfremdung, die sich zwischen ihm und Hanna ausbreitet und von da aus seine Kreise zieht.

Wie sehr Traum und Entfremdung Komplementärbegriffe sind, wird auch in der Erzählung "Probleme Probleme" klar, wenngleich erzählerisch auf eine ganz andere Weise. Es ist gut, dass es auch auf dem Tonträger einen Stimmenwechsel gibt, wenngleich er auch etwas zu offensichtlich den Geschlechterwechsel unter den Hauptfiguren signalisiert. Die beiden ersten Erzählungen werden von Hans Eckardt gelesen. Insbesondere bei der zweiten Erzählung wird der/die HörerIn schon ziemlich in die Mangel genommen, denn die eindringlich verlangsamte Vortragsart hat einen allzu starken Doppelungseffekt angesichts des ohnehin schwer lastenden Bachmann-Textes. Als ZuhörerIn sucht man nach einem Gegengewicht, das sich eher in einer Lesart ohne allzu häufige Fermaten ausdrücken würde. Die letzte Erzählung auf dem Tonträger wird von Gabriele Lehner gelesen.

Beatrix hat zwei Lieblingswörter: grauenvoll und kompliziert. Die Probleme, die der Titel ankündigt, betreffen dennoch in erster Linie nicht sie. Es sind die Probleme Erichs oder Erichs mit seiner Frau Guggi. "In ihrer Wirklichkeit gab es nur Guggi, die ein Problem war [...]", Guggi, die sich in der Zeit von Beatrix Zusammenseins mit Erich schon mehrmals umbringen wollte. Beatrix hat sich darin geübt, sich diese Probleme anzuhören, und hat dadurch stets Gesprächsstoff, um von unangenehmen Fragen abzulenken. In zweiter Linie hat natürlich auch Beatrix Probleme, zum Beispiel bei der Auswahl ihrer Strümpfe, "diese qualvolle Mühe, jeden Tag, ein ganzes Leben lang, immer Strümpfe suchen zu müssen". Ihren Traum vom Leben, "Nichts als schlafen!", muss Beatrix allerdings verheimlichen. Und was sie ihrem Umfeld ebenfalls verheimlicht, "daß sie nur gerne beim Friseur saß, daß RENÉ für sie der einzige Platz auf der Welt war, wo sie sich wohlfühlte". Der durchkomponierte satirische Ton dieser Milieustudie gibt der Erzählung ihre spezifische Charakteristik. In der Figur der Guggi ist aber gleichzeitig die Nähe zu Bachmanns "Todesartenzyklus" spürbar, vor dessen Hintergrund die Erzählung geschrieben ist. Spannend ist daher gerade auch die Ambivalenz der Hauptfigur und ihr über Erich vermitteltes Verhältnis zu Guggi. Während Beatrix sich einige Fertigkeit im Verheimlichen ihrer Lieblingsbeschäftigungen und -gedanken angeeignet hat, im Täuschen und Vortäuschen, bemerkt sie nicht, wie sehr sie sich über sich selbst, gleichzeitig über andere täuscht. Auf diese Weise lebt sie in einer Traumwelt, die nicht allein durch den kleinsten Ernstfall, beispielsweise ein zuviel Schwarz im Make-up, in sich zusammenzustürzen droht. Sie ist zugleich Ausdruck einer völligen Entfremdung und verzerrtes Spiegelbild einer Sprachverkümmerung. Dennoch, oder gerade deshalb lenkt sie ihren Hass auf Guggi: "Hoffentlich hatte Guggi sich umgebracht", wünscht sie sich im Angesicht ihrer eigenen Make-up-Katastrophe, und verwischt damit den Zusammenhang, der sie möglicherweise mit dem Schicksal Guggis verbinden könnte. Denn auf der Rückseite ihrer erkauften Traumwelt ist der Herstellungsstempel aufgedruckt, er entstammt der "Traumwäscherei".

Originalbeitrag

Martin Reiterer
3. März 2003

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Kombo Kosmopolit XII präsentiert: Maschinenwut Cornelia Hülmbauer & Jelena Andelovski

Mi, 19.09.2018, 19.00 Uhr Lesungen & Gespräch Die Lesungsreihe Kombo Kosmopolit sucht den...

Radio rosa 12 – Verena Dürr | Ilse Kilic | Caroline Profanter | Sophie Reyer

Do, 20.09.2018, 19.00 Uhr Text-Sound-Performances "Warum sind wir da, wo wir sind, wenn...

Ausstellung
ZETTEL, ZITAT, DING: GESELLSCHAFT IM KASTEN Ein Projekt von Margret Kreidl

ab 11.06.2018 bis Juni 2019 Ausstellung | Bibliothek Der Zettelkatalog in der...

Cognac & Biskotten

Das schräge Tiroler Literaturmagazin feiert seinen 20. Geburtstag und präsentiert sich mit einer...

Tipp
flugschrift Nr. 24 von Lisa Spalt

Wenn Sie noch nie etwas vom IPA (dem Institut für poetische Allltagsverbesserung) gehört haben,...

Literaturfestivals in Österreich

Sommerzeit - Festivalzeit! Mit Literatur durch den Sommer und quer durch Österreich: O-Töne in...