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Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Marie von Ebner-Eschenbach, Gerhard Rühm, Ernst Jandl, Peter Handke, Elfriede Jelinek u.a.

Anna Blume trifft Zuckmayer
Lesungen, Reden, Gespräche. 60 legendäre Dichter in Originalaufnahmen 1901-2004
Herausgegeben von Stefan Bertschi und Ingo Starz
2 CDs
Spielzeit: ca. 145 Min.
ISBN 3-89940-732-6
München: Der Hörverlag, 2006

Gewöhnlich ist das Begleitmaterial, das mit einem Hörbuch geliefert wird, kaum der Rede wert. Es enthält (wünschenswert) die wichtigsten Daten und Fakten zur Aufnahme und (ungebeten) Werbung in eigener Sache. In diesem Fall hat sich das Booklet zu einem richtigen Büchlein von gut 100 Seiten ausgewachsen.
Selbstverständlich kommen die CDs auch ohne aus, aber es ist empfehlenswert, den kundigen Führer durch die Sammlung der Herausgeber Stefan Bertschi und Ingo Starz zur Hand zu nehmen. Gediegen und auch für Leute, die sich mit diesen CDs auf akustisches und inhaltliches Neuland einlassen, verdeutlicht die schriftliche Beilage zu diesen CDs das Konzept der Anthologie, ordnet sie die Beiträge in einen größeren Zusammenhang und macht auf besondere Aspekte der jeweiligen kommunikativen Situation aufmerksam.

Die Zusammenstellung wurde erarbeitet für eine Ausstellung im Strauhof Zürich und sieht sich in der Tradition der 1977 in der Wochenzeitung "Die Zeit" auf zehn Schallplatten veröffentlichten Edition "Stimmen der Dichter". Damals wurden nur Aufzeichnungen von Lesungen für die Publikation ausgewählt, während das Konzept der Züricher Präsentation die Ausstellungsräume nach Sprechsituationen gliederte. Das vorliegende Hörbuch bietet quasi den Katalog des 2003 im Strauhof aufbereiteten Materials und damit einen Blick auf sieben Situationen, in denen Schriftstellerinnen und Schriftsteller (es überwiegen die Beiträge von Männern) stimmlich präsent sind: Archiv, Rede, Bericht, Lesung, Gespräch, Performance und Lied. Es liegt bis jetzt kein vergleichbar profunder Überblick über die Vielseitigkeit der dichterischen Stimme vor. Die Sammlung berücksichtigt in einer gelungenen Mischung Literatur aus den deutschsprachigen Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland (BRD und DDR).

Die ältesten Aufnahmen stammen aus dem 1899 vom Physiologen Sigmund Exner gegründeten Wiener Phonogrammarchiv. Trotz der schlechten Aufnahmequalität fasziniert der von Arthur Schnitzler vorgetragene Auszug aus dem Einakter "Lebendige Stimmen" ("Es ist nicht der schlechteste Beruf, solchen Stunden Dauer zu verleihen."). Überraschend, dass Marie von Ebner Eschenbach für die Aufzeichnung ein kurzes Gedicht ("Ein kleines Lied") wählt, das sie durch hartnäckige Nebengeräusche hindurch mit dem großem schauspielerischen Pathos des beginnenden Jahrhunderts vorträgt. Hugo von Hofmannsthals souverän rezitiertes Gedicht "Manche freilich" aus dem Jahr 1907 gibt eine gute Vorstellung davon, was der im Protokollblatt des Archivs vermerkte Berufseintrag "Dichter" bedeutet hat.

Die Reden beschäftigen sich mit den Themen Literatur (Botho Strauß und Elfriede Jelinek), Kulturpolitik (Günter Grass, Christa Wolf) und Heimat (Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch). Bestürzend die Aktualität, die Thomas Manns Radioansprache "Über die Zerstörung von Coventry" nach 09/11 zuerkannt werden kann. Erheiternd Alfred Döblins Stegreifrede anläßlich einer Ausstellung in der Berliner Sezession aus dem Jahr 1931, in der er recht grob mit den Malern umspringt, ihnen vorwirft, den Kontakt mit dem Publikum verloren zu haben. Gerade dieser Abschnitt der CDs zeigt die glückliche Hand der Herausgeber bei der Zusammenstellung. Die Auswahl erfolgt nicht beliebig, ist stets fokussiert und lässt immer auch Platz für heitere Aspekte.
Ein kurioser Vortrag ist vom gebürtigen Wiener Friedrich Glauser enthalten, der in der autobiografischen Erzählung "Kif" einen Einblick in seinen Umgang mit Haschisch während seines Marokko-Aufenthaltes gibt. Beeindruckend und alle Nachtseiten des Exils spiegelnd die Lesung des Gedichtes "Da du" von Nelly Sachs. Überraschend sanft Peter Handkes berühmter Protest gegen die Beschreibungsliteratur auf der Tagung der Gruppe 47 in Princeton; lustig, wie mit viel Chuzpe Johannes R. Becher in einem Rundfunkgespräch Gottfried Benn nicht zu Wort kommen lässt; hart die ganze Biederkeit, die der Schriftsteller(innen)beruf bereithalten kann, aus dem Munde von Marieluise Fleißer ... Tatsächlich ein Hörbuch, das Kurzweil und Erhellung garantiert.

Freilich enthalten die beiden letzten Kapitel "Performance" und "Lied" besondere akustische Leckerbissen. Wir hören die unübertroffenen Vorleser Karl Kraus und Elias Canetti, die Urlaute von Kurt Schwitters und Gerhard Rühms "Aufhoedn, aufhoedn" ebenso wie die Sprachartistik Ernst Jandls oder des Poetry-Slam-Spezialisten Wehwalt Koslovsky. Wenn zuletzt Bert Brecht "Die Moritat von Mackie Messer" selbst singt, breitet sich neben der Freude, ein wirklich gelungenes Hörbuch erstanden zu haben, auch Wehmut darüber aus, nicht noch mehr hören zu können.

 

Helmut Sturm
3. Juli 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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