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Jaroslav Hasek: Die Abenteuer des braven Soldaten Svejk

Deutsche Übersetzung: Grete Reiner
Es liest: Helmut Qualtinger
Aufgenommen im Mai 1986 in Kabarett & Komödie am Naschmarkt, Wien
3 CDs
Spielzeit: CD 1: 77:25 min, CD 2: 61:50 min, CD 3: 61:15 min
ISBN 3-902027-93-2
Preiser Records 1998

Helmut Qualtinger gab in seinen letzten Lebensjahren zwei Mal Lesungen des "braven Soldaten Schwejk": Einmal für den Bayerischen Rundfunk, der eine Langfassung ausstrahlte, einmal eine verkürzte für "Kabarett & Komödie am Naschmarkt" in Wien 1986. Den Inhalt dieser beiden Wiener Abende, an denen "Quasi" zum letzten Mal vor seinem Tod am 29. September 1986 öffentlich las, geben die 3 CDs dieses bei Preiser erschienenen Hörbuchs wieder.

Wenn es eine österreichische Nationalliteratur gibt, dann gehört Haseks "Schwejk" unbedingt dazu. Wir lachen nach 80 Jahren noch über das treffende Porträt der österreichischen Oberschicht, die bei Hasek hauptsächlich eine deutsche und jüdische ist, wie es wohl der Realität im damaligen Böhmen entsprochen hat. Der hohlen Phraseologie schneidiger Militärs und abgehobener Kriegstreiber wird hier eine volkstümliche Hanswurstfigur entgegengesetzt, die mit sprachkomischen Mitteln (absurde Vergleiche, Wörtlichnehmen) und scheinbarer Überanpassung den Ernst gestelzter Reden in Schönbrunner Deutsch ins Rutschen bringt.

Der Kriegsbeginn lässt die Gegensätze aneinander prallen. Auf der Seite der Klugen, Gebildeten, Herrschenden hört man, dass der Krieg in wenigen Monaten zu Ende sei, Leute, die nie eine Kugel pfeifen hören, interpretieren mit großer Geste die militärische Strategie der k.k. Armee. Sie manipulieren "das Volk" und glauben letztendlich selbst an ihre Losungen. Je höher einer steht in der Hierarchie, desto mehr irrt er. Es ist ein "Blöder" wie Schwejk, der dem Krieg lange Dauer voraussagt und dafür angefeindet wird. Weil wir wissen, dass Schwejk Recht behalten haben wird, erhält die ihm unterstellte Blödheit einen doppelten Boden. Es ist die Blödheit und der Irrsinn der dominanten Klassen, die die Blödheit und den Irrsinn der Unterschichten hervorbringt: Schwejk, der Knecht, spiegelt seine Herren, die Offiziere der Monarchie.
Das ganze Gehabe dieser Militärs, selbst noch des gutmütigen Oberleutnant Lukasch, bedeutet dem einfachen Soldaten seine Minderwertigkeit, und dieser spielt mit.
Wenn der Militäroberarzt den Schwejk anfährt: "Sind Sie blöd, Schwejk?" und dieser auf diese Ungeheuerlichkeit treuherzig zurückgibt: "Melde gehorsamst, ich bin blöd.", bleibt er im Bild, anstatt, wie es sich nach der Meinung des Beleidigers gehörte, mit einer untertänigen Bitte um Verzeihung oder anderen Zeichen der Reue daraus zu fallen. Darin liegt etwas Subversives, Irritierendes, das Schwejk verdächtig macht. Man kann ihm, der in der Maske des Narren mal weise, mal unendlich dumm erscheint, nicht an.
Schwejk fühlt wie alle seine böhmischen Freunde im Gasthaus Palivec: der Krieg wird vielen das Leben oder die Gesundheit kosten und viel ruinieren. Von der Monarchie und vom Kaiser hält man nicht viel. Ein diktatorischer Gesinnungsdruck, persönlich ausgeübt vom Polizeispitzel Bretschneider, der seiner Arbeit im Gasthaus nachgeht, zwingt jedoch zur Vorsicht.

Was tun, wenn von der Obrigkeit eine Stellungnahme zum Krieg, zum Militär oder zum Kaiser erbeten wird? Die Wahrheit kann man nicht sagen, sonst wird man gleich verhaftet, also übertreibt man, spielt mit und setzt noch was drauf. Darauf kann der Andere so oder so reagieren: wer am stärksten verdrängt, was ihm die Intuition längst sagt, stimmt in den zynischen Patriotismus Schwejks ein (wie die Prager Zeitungen oder die militaristische Baronin von Botzenheim), die anderen empfinden deutlich das Unechte seiner Äußerungen, können aber wegen der "Verdränger" nicht gegen ihn an.
Eine zweite Taktik Schwejks ist das Ausweichen. Wird er zu verfänglichen "hohen" Themen befragt, zieht er die Sache durch einen Vergleich mit der niedrigen Sphäre seines Hundegeschäftes ins Lächerliche.
Für uns ÖsterreicherInnen, die die Zählebigkeit feindseliger Haltungen der tschechischen Nachbarn gegen uns "Deitsche" oft fassungslos macht, ist "der brave Soldat Schwejk" eine Quelle der Aufklärung. Wenn wir einmal ganz ehrlich mit uns selbst sind, sind die schneidigen Leute, die meinen, dass die tschechische Wirtschaft nichts zusammengebracht habe, weil nach der Vertreibung der Deutschen niemand mit Wirtschaftskompetzenz im Land verblieben sei, immer noch unter uns. (Ein reiner Vertreter dieses Typs ist im "Schwejk" Militäroberarzt Bautze: "Das ganze tschechische Volk ist eine Simulantenbande!") Es sind solche Menschen, die die "Schwejks" erzeugen, die scheinbar dumm daher kommen, weil ihnen das dominante Bild nichts anderes gestattet.

Der "Schwejk" wird ganz besonders in der Lesung Helmut Qualtingers zum intellektuellen und fast musikalischen Genuss. Köstlich zum Beispiel die Szene im Gasthaus Palivec, wenn der Spitzel Bretschneider sich mit Schwejk betrinkt, um ihn zu überführen, und Qualtinger lebensecht die beiden von Viertel zu Viertel mehr lallen lässt. Offiziere, besorgte Ärzte, verliebte Damen, sorgenvolle Wirtinnen, einfache Soldaten - jede hat seine eigene Aussprache, seine eigene Intonation und seine eigenen Zustände.
In dieser letzten Produktion vor seinem Tod tritt ein neues Element in Qualtingers Vortrag auf: Der Vielstimmige lacht bei jenen Stellen, die er witzig findet, und teilt sich damit selbst eine im Text nicht vorgesehene Rolle zu.

Originalbeitrag

Veronika Doblhammer
27. Jänner 2003

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