Hörstück mit Peter Simonischek und Karl Ignaz Hennetmair
2 CDs
Spielzeit: 120 Min.
ISBN 3-455-30237
Hofmann und Campe 2001
Was spricht dafür, Karl Ignaz Hennetmairs ebenso amüsanten wie informativen Spitzelbericht in Tagebuchform über ein Jahr mit dem Schriftsteller Thomas Bernhard, der gerade als Theaterautor so richtig durchstartete, auf CD herauszubringen? Durchaus einiges. "Ein Jahr mit Thomas Bernhard" war im Jahr 2000 nicht nur eine der überraschendsten und meist diskutierten Buchveröffentlichungen - eine ausführliche Rezension finden Sie auf unseren Buch-Seiten -, die Aufzeichnungen des Realitätenvermittlers Hennetmair, der Bernhard nicht nur beim Hauskauf, sondern auch bei allerlei sonstigen Botengängen, lästigen Geschäften, aber auch als Ersatzfamilie zur Verfügung stand, haben durchaus dialogische Qualitäten. Hennetmair, der Bernhard heimlich beobachtet hat und erst im nachhinein, allein zu Hause, das Erinnerte zu Papier brachte, beweist einen guten Sprachsinn. Er gibt lange Monologpassagen Bernhards, die manchmal an Figuren von ihm denken lassen, frei, aber sehr treffend wieder. Man hat richtig den Tonfall Bernhards im Ohr, wie er sich voller Lust hineinbohrt in einen Monolog, ihn zuspitzt und bis ins Absurde steigert. Was gegen eine CD spricht, liegt ebenso schnell auf der Hand. Es ist nicht Thomas Bernhard, der spricht. Der Burgschauspieler Peter Simonischek leiht ihm seine Stimme. Passagen, die im Buch in direkter Rede wiedergegeben sind, werden nun auch als Monolog vorgetragen. Oder als Dialog mit Hennetmair. Man muß sich anfangs sehr daran gewöhnen, oft trifft Simonischek einen Bernhard-Ton, dann aber kommt doch die simonischeksche Gelassenheit hervor, die seine Bühnenfiguren so sympathisch macht, die aber nicht so gut zu Bernhards frechem bis sadistischem Witz passt. Simonischek gibt den mürrischen Grantler, man merkt ihm aber nicht so recht die Lust am Grantigsein an. Hennetmair spricht Hennetmair. Da kann nichts schief gehen, das passt. Hennetmair, das hat man beim Lesen schon gemerkt, das wird aber beim Hören noch deutlicher, ist ein passender Gegenpart zu Bernhard. Er ist, genau wie Figuren in Bernhards Stücken, der Zuhörer, den ein Monologisierer braucht, er ist zugleich aber auch der verschlagene Mittäter, wenn es darum geht, die Umgebung - von den Nachbarn, die beim Hauskauf ausgetrickst werden sollen, bis zu den Salzburger Festspielen - zu ärgern und für eigene Zwecke zu inszenieren. Sagen wir so: Hennetmair kann Bernhard auf seine Art durchaus das Wasser reichen. Man hört den frechen Ton, den eigenwilligen Blick auf die Welt, die rechthaberische und größenwahnsinnge Geste ebenso, wie den knallharten und gewitzten Geschäftsmann. Hennetmair gelesen von Hennetmair, das könnte auch eine Horváth-Figur sein, gelesen von Helmut Qualtinger.
Die Hoffmann-und-Campe-Kollektion aus 2 CDs mit einer Länge von etwas mehr als 120 Minuten gibt einen repräsentativen Querschnitt aus einem Buch, das mit 580 Seiten aufwartet. Textfassung und Regie stammen von Wolfgang Stockmann. Am Anfang findet sich ein Einschub, der im Buch, das sich strikt auf das Jahr 1972 beschränkt, fehlt. Der Rückblick geht ins Jahr 1965, dokumentiert in Briefen zwischen Hennetmair und Bernhard, als der Autor beschließt, seinen Hof Nathal doch nicht zu verkaufen. Was nicht so geglückt ist an dieser Aufnahme ist, dass Hennetmair und Simonischek auch die neutralen, erklärenden Stellen im Text selber lesen. Quasi wie wenn Figuren in einem Stück auch die Regieanweisungen mitlesen. Das macht zwar inhaltlich durchaus Sinn, zerstört aber ein bisschen die Illusion. Sonst aber sind beide CDs ein großes Vergnügen: ein Spaziergang mit Thomas Bernhard.
Karin Cerny
24. Juni 2002