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Ernst Jandl: funk den ernst

Texte: Ernst Jandl
Musik: Peter Böving
Sprecher: Bettina Marugg, Frank Meyer, Severin von Hoensbroech, Oli Iserloh, Evelin Degen, Laas Abendroth, Manfred Adomat, Stefanie Herrmann, Peter Böving
Gesang: Bettina Marugg, Susanne Philips, Severin von Hoensbroech / Bassklarinette, Tenorsaxophon: Veit Lange / Flöte: Evelin Degen / Schlagwerk: Laas Abendroth / Schlagzeug: Peter Eisold / Gitarren, Bässe, Bajo, Violine, Tasteninstrumente, Schlagwerk sowie Besteck (Marke WMF) und Kaffeeservice (aus dem Hause Seltmann Weiden): Peter Böving
Spielzeit: ca. 47 Min.
ISBN 3-8218-5157-0
showerrecords 2001

Die "laute Braut", das war für Ernst Jandl (1925-2000) der Jazz, und seit seiner Verlobung in den 50er Jahren lebte er mit ihr mehr oder weniger in wilder Ehe zusammen. Sie "hält mich am Leben", hat er einst, unspektakulär, aber nachdrücklich genug, über diese Musik gesagt. (Aufsehenerregend hingegen waren die Konzerte, die Jandl seit Mitte der 60er Jahre in wechselnder Zusammenarbeit mit verschiedenen Jazz-Gruppen gab.) Und nun stimmt dieser Satz noch einmal (anders), denn in den beiden Jandl-CDs, die bisher von Peter Böving und seiner Gruppe erschienen sind ("jandls ernst", 2000, "funk den ernst", 2001), tanzen und hinken die Wortfiguren und Versgestalten des Dichters munter daher wie eh und ewig frisch bis in die letzten Rüschen und Falten ihrer Wortröcke.

Bereits zu Beginn der neunziger Jahre ist Peter Böving mit Bühnenprogrammen durch Europa getourt, später wurden "Das Kästner Projekt" und "Anatomie Titus" in CD-Versionen transponiert. Nach Erich Kästner - der Titel der CD lautet "gute Musik macht einsam" - und Heiner Müller vertont Böving seit 1995 auch Texte von Ernst Jandl (siehe auch die Website unter www.jandlsernst.de). Die bisherigen Produktionen konnten sich allesamt einer einhellig begeisterten Zustimmung von Seiten der Kritik und des Publikums erfreuen. Im Fall der letzten Jandl-CD bringt sich diese Begeisterung bündig auf den Punkt: "Wahrlich 'eun stöck zöcker' , dieser pointiert explodierende Poetry Dance", hieß es da beispielsweise. Und tatsächlich: Es passt alles zusammen, in diesem innerlich auseinanderdriftenden Wort-Laut-Ton-Kunstwerk. Eine subtile und behände Orchestrierung der Jandlschen Leichtigkeit und (zuweilen melancholischen) Ironie, wie sie in den ausgewählten Gedichten dieser CD vorwiegen, bietet sich dem/der HörerIn dar. "hölzerne knaben werden über nacht zu vaselinlöwen [...] die mädchen essen mit stimmgabeln." Oder etwa "die klagende seife meingott die weiße klagende seife"! Durch ein abwechslungsreiches Zusammenspiel von Stimmen und Texten, von Instrumenten und Geräuschen wird hier auf mannigfache Art die Lust an den Texten (erneut) geweckt. Allein die Vielzahl der unterschiedlichen Stimmen und Stimmeinsätze ist erstaunlich: Die Texte werden gesprochen, gesungen, rezitativisch vorgetragen, flehentlich geseufzt, klagend gestöhnt, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Rhythmen, als Solo oder in collageartigen Überlappungen, dazwischen wird gehüstelt, geräuspert, gezischt. Entsprechend facettenreich ist das Spektrum auf instrumentaler Ebene. Ein sparsamer Einsatz von Geräuschen unterstreicht den heiteren Collagecharakter des Ganzen. Dass da auch Besteck und Kaffeeservice, das im Gedicht von Jandl ("die tassen") "hünuntergefollen" ist, zum Einsatz kommt, folgt nur einer inneren Logik dieser Aufführungspraxis. Es werden nicht semantische Inhalte der Textebene auf der Ebene der Musik kopiert (wie man es als billigen Verdoppelungseffekt kennt), sondern analog zu Jandls Zerlegungs- und Erfindungspraktiken werden spielerisch Möglichkeiten des eigenen Mediums realisiert.

Der lustvolle Aspekt des fantasievollen Umgangs mit Texten und Tönen wird im Booklet der CD auch durch die naiv-kindlichen Zeichnungen angesprochen. Damit wird auf einen zentralen Urspung von Jandls Verfahren verwiesen, die sich die unbewussten Techniken einer kindlichen Sprachlust zueigen machen. Michael Hamburger hat bereits anlässlich Jandls erster (gesprochener) Platte ("Laut und Luise", 1969) angemerkt, dass Kinder - und bekanntlich im Gegensatz etwa zu eingewöhnten KulturträgerInnen - mit dessen Textkapriolen vorzüglich umzugehen wussten. Dass Jandls Sprache oftmals von einer Direktheit und Deftigkeit ist, stört hier wenig. Angesichts einer SouthPark-getrimmten Generation werden selbst die Vorschulaltrigen über Sätze wie "auch badehosen trug ich nur mit scham / weil drin mein genital nur wenig raum einnahm" kaum stolpern. Vielmehr werden sie sich bei Wortsätzen wie "scheißaufsfrühstück!" mühelos ihre je eigenen Bezüge zur sogenannten Realität herstellen.

Auch Jandls wörtliche Umsetzung von Fantasie ("ich reiße mir einen hund aus dem kopf / und einen zweiten hund aus dem darm") erinnert an jene landläufig als kindlich bezeichnete, doch zugleich an eine filmische Plastizität, wie sie etwa in Jan Svankmajers fantastischen Animationsfilmen zu finden ist. Darin ist ihre Spannweite begründet. Diese innere Entspannung und Spannung der Texte ist in der vorliegenden CD auf kongeniale Weise von einem funkensprühenden Jazz durchdrungen. Anlass genug, dass sich die Verse, die Jandl einst an Mathias Ruegg und das Vienna Art Orchestra gerichtet hatte, im Geheimen an Peter Böving und seine Gruppe fortwidmen könnten: "ist auch musik nicht länger in mir drin / hier höre ich musik drin ich enthalten bin".

Originalbeitrag

Martin Reiterer
3. September 2002

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