logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

FÖRDERGEBER

   Bundeskanzleramt

   Wien Kultur

PARTNER/INNEN

   Netzwerk Literaturhaeuser

   mitSprache

   arte Kulturpartner
   Incentives

   Bindewerk

kopfgrafik mitte

Fritz Kortner: Aller Tage Abend

Es liest der Autor
4 CDs
Spieldauer: 240 Min.
ISBN 3-89581-137-8
Berlin: Alexander Verlag, 2005

Biografien wie diese bekommt man nicht alle Tage in die Hände - wie kühn, unverstaubt, bissig, geistreich und kämpferisch einem der Theatermann Fritz Kortner (1892 bis 1970) in seiner Autobiografie "Aller Tage Abend" entgegentritt. Kortner macht Theater, auch, wenn er liest oder schreibt. Er ist nicht nur ein fesselnder Erzähler, er ist auch ein Genie der Dramaturgie: Er spitzt seine Erfahrungen zu, er inszeniert seine Erlebnisse, er verdichtet sie zu Miniaturen, die stets auf sicherem Boden stehen. Kortner vertritt Meinungen, und das vehement. Schon früh tritt er gegen das "kitschselige" der Kunst an, das vor allem die Burgtheater-Geher so zu lieben scheinen. Er verachtet alles Gefühlsduselige, das nicht genau wissen möchte, was an klugen Gedanken dahinter steht. Bereits als Jugendlicher, der sich heimlich ins Burgtheater stiehlt - sein Vater darf es nicht wissen - begreift er, dass man als Schauspieler alles verstehen muß, was man spricht, dass vieles, was man vorschnell für "Lyrik" hält, doch eigentlich "Bekenntnis" eines Autors ist. Kortner reflektiert spitz, was er mit sechzehn in Bezug auf Goethes "Faust" herausgefunden hat: "Unverzeihlich ist es jedoch, daß das Theater heute noch solche Stellen als Lyrik, und noch dazu als Pseudolyrik, mit verlogen geschlossenen Augen und Winselsäuselton zelebriert. Darauf besteht nicht nur eine falsch verstandene Theatertradition, sondern auch die unrevidierte Gymnasiastenkitschseligkeit mancher deutscher Intellektuellen. [...] Da sitzen sie, die Theaterluft mit ihrem Erinnerungsmief vergiftend, kitschselig, ebenfalls mit geschlossenen Augen, und hören, den Kopf verzückt-wiegend, dem trivialen, abgestandenen, hirn- und sinnlosen Gedudel zu." Kortners Wut ist alles andere als unpräzise, sie bleibt nie ohne Argumente und ohne Gegenbeispiele, wie es denn besser gehen könnte.

Das Theater, das Kortner sucht und schon bald findet, ist eines mit echten Menschen und klaren Gedanken, keines des "Burgtheater-Verdi-Schmerzes". Ein Gastspiel von Otto Brahms Inszenierung von Ibsens 2Gespenster" wird zu einem Erweckungserlebnis: "Unter der Wucht dieser Ereignisse zerstoben meine bisherigen Theaterbegriffe, stürzten Autoritäten von ihrem Sockel, und eine Erleuchtung, die, wie ich heute weiß, von Lebensdauer war, ging in mir auf."

Der Abenteuerer Kortner, jederzeit bereit, alles Überkommene über Bord zu werfen, wenn ein starkes, neues Argument auftaucht, weiß, er muß weg aus Wien. Aber er hatte über Berlin nicht nur schlechtes gehört: "Schauermärchen hatte man mir erzählt: Dort gäbe es keine Mehlspeisen, nur Süßspeisen." Der Mehlspeisenfanatiker Kortner kennt trotzdem keinen Halt, er irrt wie im Fieber durch Wien, um zu beschließen: "Wo es solches Theater gibt, dorthin gehöre ich, entschied ich bei Morgengrauen."

Eine unglaubliche Aufbruchsstimmung durchzieht diese Memoiren, die eigentlich ein großer Entwicklungsroman sind. Sind sind erstmals 1959 erschienen, kurz darauf las Kortner daraus für den Bayerischen Rundfunk und den NDR - insgesamt fünf Stunden Material, von dem allerdings nur vierzig Minuten gesendet wurden. Der Alexander Verlag hat sowohl die Buchausgabe als auch die CD-Aufnahme wiederentdeckt und damit, man muß sagen, so etwas wie ein Standardwerk der Theaterliteratur wieder zugänglich gemacht. Das Hörbuch unterscheidet sich von der Autobiografie, indem es versucht, chronologischer zu sein, und deshalb einzelne Exkurse, die in die Gegenwart ausbrechen, streicht. Das ist zwar schade, schadet aber letztendlich wenig. Kortners eigene Biografie zeichnet zwar die Lebensstationen nach (Wien, Berlin, Emigration in die USA), aber letztendlich ist sie eine Geschichte der Schauspiel- und Regiekunst einer Epoche. Kortner verfügt über eine enorme sprachliche Ausdruckskraft, Theater plastisch werden zu lassen und zwar nicht nur in seiner ästhetischen Dimension sondern als Arena der Gedanken seiner Zeit.

 

Karin Cerny
3. Mai 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
"Wir schreiben uns ein"

Mo, 17.09.2018, 19.00 Uhr Projektpräsentation mit Lesungen & Gespräch Das seit 2017...

"20 Jahre Cognac & Biskotten"

Di, 18.09.2018, 19.00 Uhr Ausstellungseröffnung mit Lesung & Musik Sie ist eine...

Ausstellung
ZETTEL, ZITAT, DING: GESELLSCHAFT IM KASTEN Ein Projekt von Margret Kreidl

ab 11.06.2018 bis Juni 2019 Ausstellung | Bibliothek Der Zettelkatalog in der...

Tipp
flugschrift Nr. 24 von Lisa Spalt

Wenn Sie noch nie etwas vom IPA (dem Institut für poetische Allltagsverbesserung) gehört haben,...

Literaturfestivals in Österreich

Sommerzeit - Festivalzeit! Mit Literatur durch den Sommer und quer durch Österreich: O-Töne in...