Texte von Birgit Vanderbeke, Felicitas Hoppe und Kathrin Röggla
Es lesen die Autorinnen
Spielzeit: ca. 50 Min.
ISBN 3-933199-68-9
Audiobuch 2001
In "Alle meine Hexen" erzählt Birgit Vanderbeke von ihren Begegnungen mit Hexen. Hexen überall und immer, aber keine Bösen, keine verwarzten Gesichter, keine Lumpen, sondern starke Frauen, die gegen den Strom schwimmen. Da ist zum Ersten die alte Hexe Köhler, die den debilen Siggi aufzieht und der jungen Ich-Erzählerin ein Ei-Haferflocken-Gemisch für die junge Katze gibt.
Die Schullehrerin gehört der Kategorie der dicken Hexen an. Drei Zigaretten schafft sie in einer 5-minütigen Pause - nicht von schlechten Eltern. Später lernt die Erzählerin in einem Bus in Tunis - auch dort hext es - eine schöne Beduinenhexe kennen. Schließlich bekommt die Erzählerin ein Kind, das von seiner Mutter wie natürlich glaubt, es sei eine Hexe. Hexen reden viel und gern über gar nichts. Auf jeden Fall haben sie keine Dauerwellen, das ist wichtig. Die Partisanenhexe gehört zu den schwierigen Hexen. Einen Mann, der sie im Supermarkt mit dem Einkaufswagen gedrängt hat, verflucht sie. So einfach kann es gehen!
"Katz, Katz, Katz!" Das sind die Zauberworte, die sich die Ich-Erzählerin schließlich zu Eigen macht und die sie in die Lage versetzen, den unfreundlichen Nachbarn ihr Gartenfest durch Dauerregenfälle zu vermiesen, der Deutsch-Lehrerin das Auto nicht anspringen, dem aufdringlichen Typ im Café die Haare ausfallen, der nervenden Mutter die Dauerwelle missglücken zu lassen. Eine effektive Methode, den unangenehmen Zeitgenossen eins auszuwischen. Wer wäre da nicht gern eine Hexe?
"Hexen und Ingenieure" nennt Felicitas Hoppe ihren Text, eine Huldigung an die Comic-Heldin Gundel Gaukeley, deren einziges Ziel es ist, Dagobert Duck den Glückstaler abzuluchsen. Gundel fliegt auf dem Besen durch Entenhausen. Das macht sie zur Außenseiterin. Sie ist eine der wenigen emanzipierten Figuren unter den übrigen Enten, einfallsreich, autonom, daher stur und auch unbelehrbar. Anders als der Genius Daniel Düsentrieb, dessen Erfindungen dem Gemeinzweck dienen, ist Gundel darauf aus, der Entenhausener Wertegemeinschaft eins auszuwischen und ihnen die Suppe so gründlich wie möglich zu versalzen. Die Hexe als sympathische Rebellin.
Zuletzt liest Kathrin Röggla aus ihrem Text "beischlafdiebin". Was darf man sich unter einer Beischlafdiebin vorstellen? Als Großstadtnomadin, das Notebook unter den Arm geklemmt, sucht sie Männer auf, nistet sich bei ihnen ein und schläft mit ihnen: "Niemand schläft gern allein". Praktisch, oder? (zumindest für die Männer). Sie entstammt der immer größer werdenden Gruppe des Medienproletariats, sieht sich als Freundinnensurrogat, das befristete Eheverträge abschließt und sich vertschüsst, wenn es nicht mehr passt. Eine Lebensabschnittspartnerin (wieder so ein Modewort), könnte man auch sagen, aber noch zwangloser, noch beliebiger. Wenn das Privatleben einer zunehmenden Ökonomisierung unterworfen ist, dann ist künstliche Nähe gefragt. Dann genügt es, ein "Zuhörrohr" zu sein, irgendwo in Deutschland, in Mannheim vielleicht, auf einem Autobahnzubringer, in der Nähe des Containerhafens.
Es hext ganz gewaltig auf dieser CD, ungewöhnlich zumal, und unkonventionell. Aber keine Angst, nach 50 Minuten ist der Spuk vorbei!
Originalbeitrag
Peter Landerl
6. September 2002