Die ersten Tage in Innsbruck sind für Simon Graubart ernüchternd. Dass ihm die Einheimischen hinterherschauen und tuscheln, will er noch hinnehmen, "aber der Argwohn der jüdischen Kaufleute übersteigt sein Verständnis. Vielleicht fürchten sie seine Konkurrenz, dass ein weiterer Jude den Antisemitismus schüren werde, dessen sind sie sich sicher und geben ihm das auch zu verstehen." Wer weiß, vielleicht hätte er aufgegeben, wäre er nicht auf Salomon Baum getroffen, einen Galizier aus Kolbuszow, die Kleinstadt hat Simon als Kind kennen gelernt. Das mag dazu beigetragen haben, sich dem um sechs Jahre älteren Kaufmann anzuvertrauen.
"Über einem Gläschen Slivovitz kommen sie ins Gespräch." Salomon Baum erzählt, dass Kolbuszow nur ein anderes Wort für Wald sein könne, lebten doch dort die Zwetschkenbaum, Feigenbaum, Kirschbaum und Nussbaum. Simon Graubart berichtet von den "Bolechower Kriechern", wie man die Einwohner seiner Geburtsstadt nennt, was nicht auf das Tempo schließen lasse, sondern auf die Wege, die sie täglich zurücklegen müssen, Bolechow hat zahlreiche Vororte, wo der Großteil der Bevölkerung wohnt.
Über Lemberg unterhalten sie sich, die viertgrößte Stadt der Monarchie mit über 70.000 Einwohnern, sparen nicht mit Seitenhieben auf die Hauptstädter mit ihrem Hang zur Arroganz. Können es sich nicht verkneifen, vom "Lemberger pipick" zu reden, und meinen damit den Rynek in Zentrum der Stadt, den Nabel, so das deutsche Wort für pipick, einen Ausdruck aus dem Jiddischen, das bei Lemberger Juden so verpönt ist.
© 2008 Haymon Verlag, Innsbruck.