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Jürgen Benvenuti

Anne Zauner im Gespräch mit Jürgen Benvenuti / 9. April 2002

Jürgen Benvenuti, Autor von messerscharfen Thrillern, hat ein neues Buch bei Lübbe herausgebracht. Mit kaum dreißig Jahren beherrscht er das Genre wie kein zweiter in Österreich.
"Eine Chance zuviel" kreist um Teddy Dragna, Kasinodirektor und Geldverleiher. Er hat kein schlechtes Leben, verdient gut. Jürgen Benvenuti erwischt ihn jedoch an einem Punkt im Leben, wo die Weichen neu gestellt werden. Dragna spürt allmählich das Alter, er trinkt zuviel, der Magen rebelliert, und seine Geliebte, in die er hilflos vernarrt ist, will ihn verlassen ... Les jeux sont faits.

Jürgen Benvenuti über seine Figuren, Vorbilder und die Lust am Thriller.

Anne Zauner: "Eine Chance zuviel" ist bereits Ihr siebenter Thriller. Die Figuren, die bei Ihnen auftreten, werden von Mal zu Mal böser und zynischer. Das Faustrecht ist stärker als das Gesetz, die Grenzen von Recht und Unrecht verschwimmen selbst bei der Polizei. Was fasziniert Sie an Gangstern wie Lazlo Biscolli ("Remora" und "Das Lachen der Krokodile") oder am korrupten Kasinodirektor Teddy Dragna ("Eine Chance zuviel")?

Jürgen Benvenuti: Ich habe nicht das Gefühl, daß meine Figuren böser oder zynischer geworden sind. Ich halte sie eigentlich für ziemlich normal. Gangster per se faszinieren mich nicht sehr. In meinen Büchern geht es oft um Geld, und da kommen zwangsläufig Geschäftsleute ins Spiel, manche davon sind kriminell, das sind dann eben die Gangster. Das ist ein eher pragmatischer Zugang.

Gewalt und Tod sind in Ihren Büchern immer präsent und trotzdem Nebenschauplätze. Was Ihre zweilichtigen Helden antreibt, scheint Gier zu sein, Lebensgier, ungebremste Gier nach Macht, Geld, Einfluss. Sehen Sie das ähnlich?

Nun, Gier ist natürlich eine klassische Motivation für Romanfiguren. In jeder guten Geschichte geht es darum, daß sich Leute in einer unbefriedigenden Situation befinden, die sie verändern möchten, und dabei müssen sie Widerstände überwinden. Sie wollen etwas haben, das ihnen (scheinbar) fehlt, und schon fangen die Probleme an.

Wie wichtig sind Ihnen Nebenfiguren? Einige Charaktere tauchen in mehreren Ihrer Bücher auf wie der Inspektor Forecker oder der Mafiaanwalt Enrico Korinek.

Ich behandle jede Figur wie eine Hauptfigur. Selbst wenn sie nur eine kleine Szene hat, geistert sie in meinem Hinterkopf durch das ganze Buch. Und manchmal bekommt sie dann sogar einen eigenen Roman. Daß Lazlo Biscolli nach "Das Lachen der Hyäne" noch zwei Auftritte hat, war nicht geplant. Als ich "Remora" konzipiert habe, fehlte mir noch eine zwielichtige Figur im Hintergrund, da fiel mir ein, daß im vorangehenden Roman ja noch einer überlebt hat, also bekam Biscolli diese Rolle. Nachdem ich seinen Aufstieg beobachtet hatte, wollte ich ihn auch noch fallen sehen, also folgte "Die Trägheit der Krokodile". Da tauchen zum ersten Mal zwei Polizisten auf, weil es mir unrealistisch vorkam, einen Bandenkrieg ohne polizeiliche Nachforschungen zu schildern. Diese beiden Polizisten, Forecker und Mertz, sind dann eher zufällig auch ins nächste Buch mitgerutscht, "Eine Chance zuviel", als ich jemanden brauchte, der den Tod von Dragnas Freundin untersuchte. Im achten Roman (noch nicht erschienen) hat Forecker nur einen kurzen Gastauftritt am Telefon, im neunten Roman (gerade in Arbeit) ist er wieder eine der Hauptfiguren.

Ihre Bücher zeichnet der schnelle, unaufhaltsame Ablauf einer Gechichte aus. Wie wichtig ist ein guter plot?

Ein guter plot ist ein wichtiges Vehikel, um den ganzen Rest, der mich genau gleich interessiert, zu transportieren. Ich fange eigentlich immer mit einer Geschichte an, mit kleinen Was-wäre-wenn-Szenarien, die ich dann, falls möglich, verbinde. Das führt dann zu ziemlich detaillierten und langen Konzepten (40 Seiten und mehr, bevor ich auch nur eine echte Zeile geschrieben habe), und dann fängt die Arbeit erst richtig an. Dann kommen all die scheinbar nebensächlichen Dinge rein, sprich, das Private der Figuren. Dieser Aspekt interessiert mich immer mehr.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Thriller aus? In Österreich stehen Sie ja als Autor von coolen, rasanten Thrillern ziemlich allein da.

Es ist schwierig zu erklären, was einen guten Thriller ausmacht, einfacher ist das Gegenteil. Was macht ein schlechtes Buch schlecht? Meiner Meinung nach die Figuren. Die meisten Autoren und Innen nehmen ihre Figuren nicht ernst. Sie bekommen Schubladen, der Gute, der Böse, der nette Tollpatsch, etc. Je klarer die Grenzen abgesteckt sind, desto langweiliger das Buch. Im Endeffekt läuft das dann auf einen technischen Firlefanz raus, der Böse zieht ein paar Tricks ab, aber der Gute ist noch besser. Bruce Willis, der im Alleingang ein Hochhaus von Terroristen säubert, das ist nett im Kino, aber in einem Buch, bitte nicht. Spannend wird es dann, wenn aus etwas Gutgemeintem etwas Schlechtes, Bedrohliches wird. Und zwar nicht, weil die Menschen böse sind, sondern weil sie menschlich sind. Der Mann, der seinen Nebenbuhler tötet, weil er die Frau so sehr liebt, sieht in seiner Tat wahrscheinlich nichts Schlimmes. Problematisch wird es, wenn der vermeintliche Nebenbuhler gar nicht der Nebenbuhler war, sondern...Was wäre wenn?

Können Sie sich vorstellen, das Genre einmal zu wechseln? Interessieren Sie auch andere literarische Formen, oder könnten Sie sich vorstellen, einmal etwas anderes zu tun als schreiben?

Also etwas anderes zu tun als Schreiben kann ich mir nicht vorstellen. Ich schreibe immer, selbst wenn ich nicht am Computer sitze. Ich hab tausend Notizbücher und einen Haufen vollgekritzelter Zettel und Konzepte für mindestens fünf Romane, das muß alles raus aus meinem Kopf. Ob ich das Genre mal wechsle, keine Ahnung. Im Moment hab ich nicht das Gefühl. Ich würde gerne Drehbücher schreiben, aber in Österreich bleibt das ein unerfüllbarer Wunschtraum.

Die Frage nach Vorbildern soll auch hier gestellt werden - interessant wären nicht nur literarische Vorbilder, sondern ganz allgemein gedacht, Einflüsse etwa aus dem Film (Quentin Tarantino wird im Zusammenhang mit Ihren Büchern gern genannt) oder der Musik, aus dem Leben...

Puh, Vorbilder. Also Tarantino ist sicherlich keines. Ich find den nicht so toll, abgesehen davon gehe ich nie ins Kino (ein Mal im Jahr ist sehr viel), und fernschauen tu ich nur bei meiner Freundin. Ich lese sehr viel, hauptsächlich amerikanische Thriller, viele davon mittlerweile im Original. Ich mag Ed McBain, Elmore Leonard Charles Willeford, die üblichen Verdächtigen eben. Filme üben gar keinen Einfluß aus, siehe oben, Musik eigentlich auch nicht. Ich verarbeite sehr viele Szenen aus dem täglichen Leben in meinen Büchern, Dinge, die ich höre, sehe, erzählt bekomme, in der Zeitung lese, etc. Ich kenne Leute bei der Kripo und beim Zoll, die erzählen mir so Einiges, das dann ebenfalls Eingang in die Romane findet.

Musik spielt immer wieder eine Rolle in Ihren Büchern. Entscheidende Momente werden oft von einem Song untermalt. Was bedeutet Musik für Sie?

Musik ist für nicht mehr sehr wichtig. Ich kaufe kaum CDs, fünf Stück pro Jahr sind viel. Ich hab weder die Zeit noch das Geld oder die Lust, mich durch die meterlangen Regale zu wühlen und mir dann einen Haufen Zeug anzuhören, bei dem mein Herz nicht schneller schlägt. In den Romanen verwende ich Musik meist als eine Art Leitmotiv, oder, wie in "Eine Chance zuviel", als eine Art Klebstoff. Die Soultapes gelangen vom Gangsterboß zum Kasinodirektor, von diesem zum Geldeintreiber, der hört sie mit seiner neuen Freundin, während gleichzeitig die Geliebte des Direktors zu eben dieser Musik stirbt. Das stellt so eine Art gemeinsames Universum dar, in dem sich alle Figuren des Romanes aufhalten, selbst wenn sie einander nie begegnen.

Letzte Frage. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Sie haben ja als Sänger einer Hardcore Band begonnen. Wie zum Ihrem ersten Verlag Deuticke?

Ich hab immer schon viel gelesen, und irgendwann fing ich an, Romanszenen, die mir nicht gefielen, umzuschreiben. So ging das einfach weiter. Zu Deuticke bin ich zufällig gekommen. Ich war auf einer Lesung von Kurt Bracharz in Bregenz, Franz Schuh, der damals noch für Deuticke arbeitete, war ebenfalls dort, Ulrike Längle, die Veranstalterin, hat uns vorgestellt, ich hab ein paar Wochen später das Manuskript auf den Schreibtisch von Franz Schuh gelegt und irgendwann kam dann der Anruf.

Eine Rezension von Eine Chance zuviel finden Sie in unserem online-Buchmagazin.

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