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Thomas Ballhausen

November 2006

Der Wiener Autor Thomas Ballhausen hat im Oktober im Literaturhaus den Reinhard Priessnitz-Preis 2006 erhalten. Mit dem 1975 in Wien geborenen Autor werde "ein hervorragender Essayist, Prosaautor und Lyriker ausgezeichnet", so die Jury, der die Autoren Robert Schindel, Gerhard Jaschke und Gustav Ernst angehörten. Was Ballhausen mit dem Namensgeber des Preises verbinde, sei unter anderem seine "Auseinandersetzung mit Film". Thomas Ballhausens jüngste Veröffentlichung ist der Comicband "inmates" - zusammen mit dem Zeichner Jörg Vogeltanz - der Anfang November in der edition prequel erscheinen wird. Das folgende Interview mit dem Autor führte Barbara Zwiefelhofer:

Sie arbeiten sozusagen an mehreren Fronten gleichzeitig und auch Auge in Auge mit mehreren Medien - Film, Literatur, Musik jetzt auch Comic - welchen Stellenwert hat diese "Gleichzeitigkeit" für Sie?

TB: Die Gleichzeitigkeit ist eine grundsätzliche Notwendigkeit für mich. Ich "brenne" im besten Sinne für die genannten Bereiche und glaube auch, dass sich diese nicht ausschließen müssen. Vielmehr gibt es hier etwas wie eine ausschließliche Verantwortung gegenüber dem jeweiligen Text/Werk. Das heißt, was für einen Text schreibe ich eben, was will ich damit bewirken, sagen. Die Bereiche, also etwa das Akademische und das Literarische, beflügeln mich in ihrer wechselseitigen Wirkung, ihren Auswirkungen.

Erfordert diese "offene Arbeitsweise" einen besonders gestimmten Leser, jemanden, der mit einem sehr breiten Wissens- und Erfahrungshorizont ausgestattet ist, der sich gleichermaßen mit Zitaten aus der Popkultur (Songtexte, Comics) auskennt wie auch in der antiken Mythologie bewandert ist oder Montaigne zu schätzen weiß? Oder, anders gefragt, was ist denn ein "Ballhausen"-Leser für einer?

TB: Jede Leserin, jeder Leser ist - so hoffe ich - auch ein potentieller "Ballhausen"-Leser. Idealerweise hat die Leserin/der Leser auch Vergnügen an den Verweisen, den Spielen, den Zitaten. Wobei mir sehr wichtig ist, dass ich es in meinen Arbeiten nicht bei diesem Spiel bewenden lassen will.
Ich habe mich einmal als verdeckten Erzähler - etwa im Sinne eines verdeckten Ermittlers - bezeichnet. An dieser etwas saloppen, frechen Selbstetikettierung möchte ich gerne festhalten.
Reflexion ist ein für mich wesentlicher Faktor in der Arbeit, im Prozess des Schreibens. Ich freue mich immer wieder über Reaktionen des Publikums. Oft werden dabei ja auch Bezüge innerhalb der Texte deutlich oder gesehen, die geplant waren - aber eben auch solche, die so nicht intendiert waren. Der Text ist am Ende immer besser als der Autor. Das ist sehr beglückend für mich - und hoffentlich auch für die Leserschaft.

Stichwort Popkultur - Ihre jüngste Veröffentlichung ist der Comicband "retrospective glance/die erinnerungen des j.f.sebastian: inmates", den Sie zusammen mit dem Zeichner Jörg Vogeltanz herausbringen. Welchen Stellenwert hat dieses Medium im Universum des Thomas Ballhausen?

TB: Comics haben mich als Leser und Autor immer schon begleitet. Auch in meiner essayistischen und akademischen Arbeit ist das Feld der Comics, das ja ein eigenständiges und ernstzunehmendes Medium darstellt, immer präsent gewesen und wird es sicherlich auch in Zukunft sein. Der Stellenwert dieses Mediums in meinem Universum ist also ein beträchtlicher - vor ein paar Jahren habe ich Comics nicht nur getextet, sondern auch gezeichnet - hin und wieder zeichne ich auch jetzt noch. Die Zusammenarbeit mit Jörg Vogeltanz, den ich wirklich für einen ganz außergewöhnlichen Menschen und Künstler halte, hat sich nach und nach angebahnt. Unsere Wege kreuzten sich zuerst im Rahmen des online-Literaturprojekts "die flut", später habe ich einen kleinen Einleitungstext für einen seiner Comics schreiben dürfen. Wir schätzen ähnliche Dinge, haben eine freundschaftliche, vertrauensvolle und sehr kollegiale Haltung zu einander - das hat die Realisierung sicherlich erleichtert.
Für unseren Comic "Inmates" haben wir gemeinsam einen Text - "Dreifaltigkeit" - aus meinem letzten Band "Geröll" ausgewählt. Die Bearbeitung der Medea-Geschichte war etwas wie die Grundlage, die ich dann zu einer kleinen Weltuntergangsgeschichte umgeschrieben habe. Das Script für den Comic, der ja ein eigenständiger, neuer Text ist und auch im Band abgedruckt sein wird, hat mir ermöglicht, andere Betonungen und Akzente zu setzen.
Jörg Vogeltanz hat meine Ideen sofort verstanden, sehr spontan weiterentwickelt und in einen ganz großartigen Comic umgewandelt, er hat wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft und mich mit meinem eigenen Text überrascht.

Ihr jüngster Prosaband heißt Geröll und ist im Vorjahr bei Haymon erschienen. In Ihrem Band "Kontext und Prozess" schreiben Sie "Bei möglichst objektiver und vorbehaltloser Betrachtung einer Quelle kann dieses sich für den gewählten Ansatz gleichermaßen als metaphorisches Gold und als ebensolches Geröll erweisen; anhängig ist dieser Status einzig und allein von den Fragen, die ich an diese Quelle richte und - noch wesentlicher - von dem Kontext, der den jeweiligen Ansatz zeichnet und in den ich die jeweilige Quelle einzubetten gedenke." Wie ist der Buchtitel "Geröll" vor dem Hintergrund dieses Zitates zu verstehen - Koketterie oder wiederum ein Zitat für den erfahrenen Ballhausen-Leser?

TB: Die Idee der Quellenkunde, die auf den ersten Blick vielleicht ja eher unspannend wirkt, hat mich schon während meines Studiums sehr interessiert. Ich vertrete hier die Ansicht, dass erst unser Blick die Quellen brauchbar macht. Wir müssen Fragen stellen, diese Fragen sind die Schlüssel zum Wert der jeweiligen Texte oder Objekte - deshalb auch das Verhältnis von "Gold" und "Geröll". Im besten Sinne ist das auch eine detektivische Tätigkeit, eine spannende und lohnende Unternehmung. Das sage ich nicht nur meinen Studenten, das glaube ich auch über den akademischen Bereich hinaus.
Letztens wurde ich von einem Studenten sehr höflich gefragt, was mich denn antreiben würde. Einem Impuls folgend, wollte ich schlicht "Kaffee" antworten, habe dann aber doch gezögert. Kaffee ist ja nur ein Treibstoff, wenn auch ein sehr schmackhafter. Ich glaube an "all das" was ich da tue. Deshalb funktioniert das genannte Zitat ja hoffentlich auch abseits von Eitelkeit und Koketterie, es ist etwas wie eine Spur, eine Signatur. Zuvor haben Sie mich nach den "Ballhausen"-Lesern gefragt, die ja auch Mitspieler, Spurensucher sein - hier beginnt sich das selbst hier einzulösen. Fein.

Im Buch selbst ist mir ein Satz [Im ABCdarium unter "J"] aufgefallen: "Schreiben, was fehlt." Was fehlt? Ist dieser Satz ein weiterer Ausdruck einer Haltung, die sich schreibend die "die Welt aneignen" will, oder - blumiger gesagt - eine Schneise in das uns allseitig umgebende Dickicht zu schlagen.

TB: Ich bin hoffentlich auch ein Detektiv, ein Suchender geblieben. Dabei versuche ich sowohl sehr strukturiert als auch sehr intuitiv zu arbeiten, zu suchen, zu sammeln. Es gibt noch so viel zu entdecken, wenngleich die Gegenwart, das Erreichte und durchaus auch zu Erhaltende dabei nicht vernachlässigt werden sollte. Das ist nicht nur zeitlich ein ziemlicher Spagat, ich versuche aber trotzdem, das so gut wie möglich zu leben. Spätestens wenn meine Freunde mich mit mahnenden Rufen und freundlichen Überfallskommandos von meinem Schreibtisch wegholen, kommt etwas wie eine Balance des Gegenwärtigen zurück, bekommt also wieder sein Recht... Ich hoffe weiters, neugierig geblieben zu sein, neugierig bleiben zu können. Wenn es mir mit meinen Arbeiten gelingt, auf etwas aufmerksam zu machen, Dritte zu Entdeckungen hinzuführen oder auch selbst eine Entdeckung sein zu dürfen - dann ist ein wesentliches Ziel für mich erreicht. So wie ich selber an die unterschiedlichsten genannten Bereiche, das kulturelle Feld/Dispositiv glaube, so möchte ich es auch gerne vermitteln können. Wenig macht mich so froh, wie das Einlösen dieser an mich selbst gestellten Forderung.

Apropos "Dickicht", welche Funktion haben für Sie Zitate und Verweise in Ihren Texten? Die Bandbreite ist da je sehr groß und reicht etwa von der US-amerikanischen Punklegende Jello Biafra bis zu dem englischen Dichter John Milton. Gibt es eine Verwandtschaft zu Unternehmungen früherer Jahrhunderte, die die Summe des Wissens ihrer Zeit versammelt haben bzw. versammeln wollten?

TB: Die Verweise sind, wie schon erwähnt, Teil meines Arbeitens, aber nicht das - sozusagen - gesamte Programm. Die Leidenschaft des Archivars ist sicherlich Teil meiner Person - hoffentlich zum Vorteil der Leserschaft... Die unterschiedlichsten Bereiche der Kultur haben uns so viel zu bieten, zu geben, zu zeigen.
Die Bandbreite der Zitate steht in einem Verhältnis zur Bandbreite meiner Interessen - aber für einen Enzyklopädisten fühle ich mich noch ein wenig zu jung. Die Gegenwart hat einen wichtigen Stellenwert, wir leben ja schließlich in ihr. Von hier aus gilt es zu beobachten, zu denken, zu fragen. Von hier aus gilt es, Verantwortungen anzunehmen, die Dinge ernst und genau zu nehmen - und trotzdem etwas wie eine poetische Leichtigkeit zu wahren.
Ich habe das Gefühl, auch noch immer viel entdecken zu müssen, sich die Welt (möglichst unhierarchisch) anzueignen. Es gilt zu entdecken, zu leben - nicht zu erobern. Das Teile ich - sozusagen wahlverwandtschaftlich gedacht - mit Montaigne oder mit Barthes, die ich wirklich sehr schätze.

Als jemand, der so umtriebig wie Sie ist, haben Sie sicher mehrere Projekte gleichzeitig laufen und/oder in Planung.

TB: Neben dem Comic liegen noch zwei, drei weitere Manuskripte fertig bzw. fast fertig vor. Derzeit arbeite ich an mehreren, zumeist wissenschaftlichen (Buch)Projekten und an einem neuen, größeren Text. Dieser wird kommenden Herbst unter dem Titel "Die Unversöhnten" bei Skarabaeus erscheinen.

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