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Kathrin Röggla

Juni 2005

In Kathrin Rögglas jüngstem Stück "draußen tobt die dunkelziffer" geht es um Verschuldung und den Umgang damit. Die Uraufführung übernimmt im Rahmen der Wiener Festwochen im Volkstheater der Punk-Musiker ("Die Goldenen Zitronen") und Regisseur Schorsch Kamerun. Mit Karin Cerny sprach die Autorin über die Schuldenfalle, private und öffentliche Verschuldung und über die "mittelstandsleiche".

Karin Cerny: Genaugenommen geht es in ihrem Stück nicht um Verschuldung, sondern um den Umgang damit, also der Scham, dem Verdrängen, dem Hoffen, daß sich die Probleme von allein lösen, etc. Welche unterschiedliche Schuldenfälle oder Umgangsweisen mit Schulden gibt es?

Kathrin Röggla: Natürlich gibt es Leute, beispielsweise im Immobilienbereich, die professionell über Bürgschaften Schulden machen müssen und anders damit umgehen können als der Sozialhilfeempfänger, der krank wurde und sich Medikamente kaufen mußte. Man hat mir immer wieder gesagt, daß die Höhe der Summe nicht unbedingt mit der Schwere des Falles korreliert. Also 64 Millionen können einfacher abzuwickeln sein als 8000 Euro.

Was interessiert Sie an diesem Thema?

Mich interessiert der Umgang mit Verschuldung, bzw. vielmehr Überschuldung, weil es mir ja nicht drum geht, Freaks auszustellen und zu sagen: schaut, da sind die armen Würschterln, sondern zu fragen, was hat das mit uns zu tun? Wie wird so etwas hergestellt, so eine Situation. Das nicht als Krankheit oder Schicksal zu verstehen, sondern als was Hergestelltes und etwas zu Regulierendes. Also: Wie gehen wir gesellschaftlich damit um? Und auf nicht-professioneller Seite: Was macht uns Angst, wo arbeiten wir mit?

Ist es einfacher, wenn man sich zumindest eingesteht: Okay, ich bin verschuldet?

Unsere Gesellschaft ist verschuldet. Das ist sozusagen die Basis, auf der wir existieren. Von der Staatsverschuldung angefangen, bis zu jedem zweiten Privathaushalt. Über Verschuldung in einem grundlegenderen Sinn, sozusagen als Grunddisposition hat Gilles Deleuze in seinem Text "Postskriptum über die Kontrollgesellschaften" geschrieben. Immer schulden wir dem Staat, dem Arbeitgeber, dem Lehrer, uns selbst etwas. Mich hat, wie gesagt die Radikalisierung der Verschuldung, die Überschuldung interessiert. Also der Bankrott. Die Insolvenz. Der Pleitegeier, d.h. die Schuldenfalle, die zugeschnappt ist. Das betrifft immerhin jeden zwölften Haushalt, in Österreich werden das so um die 400.000 Menschen sein. Da greift eine ganz andere ökonomische Logik.

Ihr Stück spannt einen großen Bogen, betroffen sind von Schülern (Handys) über Omas (Quelle-Katalog) alle Alterstufen - und vor allem der Mittelstand. Ist es ein Stück über den Mittelstand (die "mittelstandsleiche" wie es im Text heißt)? Darüber, daß ein Phänomen wie etwa Armut nicht mehr am Rand steht, sondern längst im Zentrum gelandet ist?

Ja. Das ist eine ziemlich neue Situation, die mich in ihrer Vehemenz auch überrascht hat. Es wird sichtbar, daß die sozialen Sicherungssysteme gerissen sind. Es findet ja ein unglaublicher Abbau aller sozialer Transferleistungen statt. Und eine Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums. Gewinne privatisieren, Verluste vergesellschaften - das ist das Prinzip unserer Zeit. Sodaß man eben sehr schnell in der Armut landen kann. Als diffuse Angst ist es ja jedem mittlerweile bewußt, daß wir mehr und mehr in sozialdarwinistische Verhältnisse hineinrutschen. Im Oktober wird es in Salzburg die Armutskonferenz geben. Ich bin gespannt, was ich da hören werde.

Woher kommt das Material zum Stück, mit welchen Leuten haben Sie gesprochen?

Meine Gesprächspartner waren sehr unterschiedliche. Hauptsächlich habe ich in Berlin und in Wien mit Schuldnerberatern gesprochen, mit Bankangestellten, mit Selbsthilfegruppenbetreibern, aber auch mit Kaufsüchtigen, die sich dann aber als eher sehr einkommensschwach herausgestellt haben.

Ist das nicht ein totaler gesellschaftlicher Widerspruch, in dem wir leben: Die Wirtschaft braucht die Schuldner wie eine Zecke den Wirten, aber irgendwann wird doch gepfändet und der ausgeblutete Wirt "getötet"?

Ja, Verschuldung ist politisch gewollt. Das Gesetz bestraft in Österreich die Schuldner und kaum die Gläubiger, denn sonst würden die ihr Geschäftsgebaren ändern und nicht einem zahlungsunfähigen Menschen noch Kredite aufschwatzen. Auch in Deutschland hab ich gehört, daß ein und dieselbe Bank dir zwar kein Konto mehr anbietet, weil du zu hoch in der Kreide stehst, aber einen Kredit schon. Es ist wichtig zu verstehen, daß das einen Zusammenhang darstellt. Im Zentrum der Verschuldung stehen nicht die Kaufsüchtigen, die sich zuviel leisten, sondern ein System von Geschäftsgebaren, schlechter ökonomischer Allgemeinbildung, wirtschaftsliberaler Konzepte wie das Gebot "mache dich selbstständig, werde unternehmer!" viele Überschuldeten folgten diesem Gebot und wollten sich selbstständig machen und hatten einfach kein Know-how.

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