Die Intimität der Wohnung, in der er mit Rosa und Boris lebt, gibt ihm sein anderes Leben zurück. Er schämt sich ein wenig. Die Verletzlichkeit der Schlafenden appelliert an seine Verantwortung. Er schaut noch nach seinem Sohn und küsst ihn, wie er ihn seit jeher küsst. Der Duft dieser Wange, diese vertraute Silhouette im diffusen Zimmer, die Beine abgewinkelt, die Hände zwischen den Knien, stockend der Atem einen Augenblick lang, dann ein Seufzer, als er ihn noch einmal küsst. Mit feuchten Augen verlässt Bert das Kinderzimmer. Im Wohnzimmer zieht er sich aus, um den Geruch seiner Kleider nicht ins Schlafzimmer zu tragen. Dann geht er vorsichtig hinein, schließt behutsam die Tür und legt sich nackt unters Laken. Rosa stöhnt, dreht sich weg, auf die andere Seite. Auch er dreht sich weg. Rücken an Rücken, ein Meter Abstand im großen Bett liegen sie da. So lange schon, wenn er zurückdenkt, dass er nicht mehr weiß, wie lange eigentlich wirklich. Vieruhrzweiundzwanzig flüstern die Leuchtziffern des Radioweckers auf seinem Nachttisch. Er versucht, an nichts Konkretes zu denken ...
Vor einem unruhigen, graugrünen Meer hüpft er von einem Riesenstein zum nächsten, während die Flut steigt, und wenn die Wellen unter den Steinen durchschlagen, spritzt die kühle Gischt durch die Zwischenräume hinauf und netzt seine nackten Beine. Weit draußen, auf dem Horizont im Osten der Stadt, liegt schon ein feiner Streifen Gold.
© 2010 Luftschacht Verlag, Wien.